Freie Meinung fällt nicht vom Himmel

1. Februar 2015

Die App “Easyvote” animiert Jugendliche zu aktiver Auseinandersetzung mit politischen Vorlagen (Bild: Dachverband Schweizer Jugendparlamente).

Bewegt politische Bildung Jugendliche zu mehr gesellschaftlichen und politischem Engagement? Zumindest Jugendorganisationen bemühen sich darum, politische Partizipation für Jugendliche auch online erfahrbar zu machen.

Doris Leuthard mit Dreadlocks im jugendlichen Öko-Look, Didier Burkhalter mit Elvis-Tolle und Macho-Flair, ein junger Ueli Maurer als Hip-Hopper mit Cap und Goldkette: Mit diesen Bildmontagen sorgte der Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ im November 2014 für Aufsehen. Eine freche Medienkampagne mit den amtierenden Bundesräten, ganz nach dem Gusto der jungen Generation. Der DSJ wollte damit mit einem Augenzwinkern darauf hinweisen, wie weit Politik vom Alltag der Jugend entfernt ist (www.dsj.ch).
Konkrete Jugendförderung betreibt der Dachverband, indem er Jugendparlamente unterstützt, mitgründet und vernetzt. Bis anhin gibt es über 60 davon in der Deutschschweiz, Tendenz steigend. Wer hier seine erste Schritte im Debattieren macht, lernt nicht nur politische Prozesse und Themen kennen, sondern sammelt auch Erfahrung im Umgang mit Andersdenkenden. Wie zentral diese Fähigkeit und damit verbunden das Recht auf freie Meinungsäusserung für eine demokratische Gesellschaft sind, haben die Terroranschläge auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo dramatisch vor Augen geführt.

Liv und Tell im Bundeshaus
Doch allzu oft erscheinen politische Inhalte den Jugendlichen als abstrakt, weltfremd und unverständlich. Das Portal easyvote.ch, ein weiteres Projekt des DSJ, bereitet Abstimmungs- und Wahlunterlagen so auf, dass sie Junge ansprechen. Seit Januar liegt easyvote auch als App (für iOS und Android) vor. Die Idee zur App stammt von der 22-jährige Jungpolitikerin Nina Haas. Sie reichte ihre Idee im Rahmen eines Wettbewerbs ein und setzte sich gegen 60 andere Vorschläge durch. Die App bietet Erklärvideos zu politischen Vorlagen und ein Lexikon mit politischen Begriffen, welche sich via Facebook, Twitter und WhatsApp teilen lassen. Zudem kann man einen “Vote-Wecker” stellen, um die nächste Abstimmung nicht zu verpassen.
Während easyvote.ch junge Erwachsene anspricht, versteht sich das vom Parlamentsdienst betreute Portal civicampus.ch als Informationsdrehscheibe für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe. Neun Themenblöcke erläutern die unterschiedlichen Organe des Staates. Um diese Inhalte zu festigen und auszutauschen, stehen ein persönliches Notizbuch, Online-Fragebogen und ein Forum zur Verfügung.
Einen virtuellen Besuch des Bundeshauses ermöglicht tellvetia.ch. Die beiden Comicfiguren Liv und Tell erkunden gemeinsam den Alltag eines Parlamentariers, angefangen vom Wahlkampf bis zur Arbeit während einer Session. Weitere Angebote für Jugendliche führt der Parlamentsdienst auf junorparl.ch auf: So zum Beispiel Impressionen des Projekts "Schulen nach Bern", das Schulklassen aus verschiedenen Sprachregionen für eine Projektwoche nach Bern bringt und die nationale Politik miterleben lässt.
Ein Klassiker der politischen Bildung stellt die Broschüre "Der Bund kurz erklärt" dar. Der hep-Verlag hat für den Staatskundeunterricht ein kostenloses Leitprogramm zur Broschüre entwickelt. Damit lassen sich die wichtigsten Bereiche selbständig bearbeiten. Für Wahl- und Abstimmungsanalysen empfiehlt sich der politische Atlas des Bundesamts für Statistik. Dieser visualisiert Resultate auf der Landeskarte (atlas.bfs.admin.ch).

Wer passt zu mir?
Damit Jugendliche den politischen Prozess der Lösungsfindung beispielhaft nachvollziehen können, haben die PH FHNW und das Zentrum für Demokratie zwei Unterrichtseinheiten für die Sek I konzipiert. Ausgehend von einem Problem, das widersprüchliche Haltungen hervorruft, müssen sie Jugendlichen eine Beurteilung vornehmen und eine Lösung erarbeiten.
Wie Politikerinnen und Politiker online über politischen Probleme debattieren und ihre Meinung vertreten, macht politnetz.ch sichtbar. Ziel der Plattform ist es, den Austausch zwischen Politik und Bevölkerung zu intensivieren. Von der Nationalrätin bis zum Gemeinderat debattieren auf politnetz.ch 20 000 registrierte Nutzer miteinander. Und im Gegensatz zum oft ausfälligen Ton in den Kommentarspalten der Newsportale bleiben die Diskussionen erfreulich sachlich.
Für die im Herbst anstehenden National- und Ständeratswahlen dürfte die Online-Wahlhilfe smartvote.ch einmal mehr zu einem beliebten Wegweiser werden. Smartvote analysiert mithilfe von Fragen, welche Kandidaten den eigenen Wertvorstellungen am nächsten kommen. Ein ähnliches Hilfsmittel ist der von der PH Bern mitkonzipierte Parteienkompass (parteienkompass.ch). Hier lässt sich die eigene Haltung mit den Standpunkten der Parteien vergleichen. Darüber hinaus stehen Unterrichtsmaterialien zu den Themen Wahlen, Parteien oder Mündigkeit bereit.
Aktuelle Sammlungen wichtiger Internetressourcen zur Staatskunde und zur politischen Bildung finden sich auf educa.ch (www.goo.gl/0fN9u0) und auf dem Portal von SRF mySchool (www.goo.gl/2vAa6h).
 

02_2015.pdf (109.7 KB)

Ähnliche Themen

  • Stimmen fangen mit Social Media?
    1. September 2011

    Die National- und Ständeratswahlen stehen bevor, der Kampf um die begehrten Sitze ist auch im Internet spürbar. Politiker twittern, erstellen Facebook-Profile, markieren virtuelle Präsenz. Eine ideale Ausgangslage für spannende Staatskunde.

  • Politisierte Jugend – Jugend politisiert
    1. Oktober 2019

    Mit Klimastreiks und Resolutionen haben sich Jugendliche in der Politik zurückgemeldet. Von Politikverdrossenheit scheint wenig spürbar. Doch wie setzt sich das Engagement über die Klimafrage hinaus fort?