Politisierte Jugend – Jugend politisiert

1. Oktober 2019
Politisierte Jugend – Jugend politisiert

1001 Gründe zu wählen: In der neuen Kampagne von easyvote erklären junge Erwachsene, weshalb sie an die Urne gehen.

Mit Klimastreiks und Resolutionen haben sich Jugendliche in der Politik zurückgemeldet. Von Politikverdrossenheit scheint wenig spürbar. Doch wie setzt sich das Engagement über die Klimafrage hinaus fort?

Wenn die Wahlen für den National- und Ständerat am 20. Oktober über die Bühne gegangen sind, wird es viele lange Gesichter geben. Von den 4'652 Kandidaturen für den Nationalrat werden bloss vier Prozent zu den glücklichen Gewählten gehören. Noch nie haben sich so viele Politinteressierte zur Wahl gestellt. Bei den Ständeratssitzen ist das Verhältnis weniger auffällig, für die 45 Sitze stehen rund 240 Kandidaturen bereit. Den 46. Sitz hat Appenzell Innerrhoden schon im Frühling bestätigt. Markant angestiegen ist unter den Kandidaturen der Frauenanteil. Was das Durchschnittsalter betrifft, ist aber kein Greta-Effekt spürbar: Der Altersdurchschnitt ist von 40,6 auf 41,5 Jahre angestiegen. Und unter den Gewählten klettert dieser noch einmal nach oben: In der vergangenen Legislatur lag er bei 51 Jahren im Nationalrat und 56 Jahren im Ständerat. Mit ein Grund für diesen Befund: Jugendliche gehen weniger fleissig an die Urne als ihre Eltern und Grosseltern. Es existieren zwar keine schweizweiten Daten zur Wahlbeteiligung nach Altersgruppen, entsprechende Nachwahlbefragungen unterstreichen aber, dass nur jeder Dritte zwischen 18 und 25 Jahren tatsächlich wählen geht.

Eine noch deutlichere Sprache spricht der Politmonitor von easyvote. Dieser erfasst die Haltung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Politik. Im Herbst 2017 gaben rund 1200 15- bis 25-Jährige letztmals Auskunft. Dabei zeigte sich, dass nur vier von zehn Befragten die Schweizer Innenpolitik überhaupt mitverfolgen.

Politische Bildung spielt eine Rolle
Das Interesse für politische Prozesse lässt sich auch in der Schule aufbauen. Doch wie sich dies im Klassenzimmer niederschlägt, ist stark von der Lehrperson abhängig. Es gibt im Lehrplan 21 kein verbindliches Fach, die Kantone verzichten auf verbindliche Zeitgefässe. Eingebettet in NMG und RZG sollen politische Bildung und das Demokratieverständnis in den Unterricht einfliessen. Doch manch einer Lehrperson erscheinen politische Debatten im Schulzimmer heikel, da man schnell mit dem Vorwurf der einseitigen Beeinflussung konfrontiert werden kann. Ein holpriges Terrain.

Das ist schade, denn der Klimastreik oder die nationalen Wahlen liefern der Schule einen Steilpass. Politik ist für Kinder und Jugendliche präsent und spürbar, wenn sie täglich an Wahlplakaten vorbeilaufen oder sich selber an Streikaktionen beteiligen. Und noch besser: Es liegt auch eine Menge an hilfreichen Angeboten für das Klassenzimmer vor.

Dossiers, Podien, Apps
Aktuell und stufengerecht kommen beispielsweise die Inputs von easyvote daher. Als Projekt des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente (DSJ) entstanden, arbeiten mittlerweile über 150 Ehrenamtliche an den Inhalten mit. "Wir haben speziell für die Wahlen ein Unterrichtsdossier erstellt", sagt Teamleiter Marc Steiner. "Darin sind Übungen zu den fünf wichtigsten Jugendthemen und generell zu den Wahlen enthalten. Zudem organisieren wir in Schweizer Schulen über 40 Podiumsdiskussionen und sind mit einer Social-Media-Kampagne aktiv, um Jugendliche zum Wählen zu bewegen." Im Unterricht einsetzbar sei ausserdem die App "votenow", für welche man für mit Smartvote zusammengearbeitet habe. Mit "votenow" informieren sich Schülerinnen und Schüler über die Profile der Kandidatinnen und Kandidaten und geben an, wen sie tendenziell wählen würden.

Gut strukturiert kommt das Wahl-Dossier von SRF daher (srf.ch/wahlen19). Die Audio- und Videobeiträge sind thematisch geordnet (Z.B. "Junge drängen nach Bern") oder auch mit interaktiven Grafiken illustriert. Und mit dem Beitrag "Mein erstes Mal: Wählen" zeigt SRF mySchool Schritt für Schritt, was man bei der Wahl des National- und Ständerats beachten muss.
Auch der Bund nimmt seine Vermittlerrolle wahr. Sei es durch das vom Parlamentsdienst betreute Portal civicampus.ch, das als Informationsdrehscheibe dient. Sei es durch den Chatbot "Parli", der Fragen zu den Wahlen 2019 beantwortet. Oder sei es mit dem Infoauftritt ch.ch/wahlen2019, der sämtliche Belange des Wahlprozederes aufgreift und auch ein Wahlquiz anbietet. Eine Übersicht über weitere Angebote zur politischen Bildung führt das gleichnamige Dossier von zebis auf (www.zebis.ch).

Für die Analyse nach dem Wahlsonntag empfiehlt sich der politische Atlas des Bundesamts für Statistik. Dieser visualisiert Resultate auf einer Landeskarte (atlas.bfs.admin.ch). Diese Breite an Angeboten macht deutlich: Lehrpersonen stehen gleich doppelt vor der Wahl.

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