Quer durch die Alpen - quer durchs Verkehrshaus

1. Juli 2007
Quer durch die Alpen - quer durchs Verkehrshaus

Im originalgetreu nachgebauten Tunnelabschnitt steigt die Spannung. Jugendliche verfolgen im Verkehrshaus den Countdown zur nächsten Sprengung mit.

Die Ausstellung Alpenqueren zeigt Gesichter und Geschichten zu 125 Jahren Bahnfahrt am Gotthard und lässt Kinder und Jugendliche die Herausforderungen der Bergwelt am eigenen Körper erleben.

Im Tunnel steigt die Anspannung. Noch 30 Sekunden, dann wird gesprengt. Immer mehr Schülerinnen und Schüler sammeln sich im hinteren Teil des Tunnelabschnitts, die Mutigeren wagen sich nach vorne. Die Sirene wird intensiver, plötzlich setzt sie aus und einem lauten Knall folgt ein ebenso imposantes Grollen. Auf der Leinwand fliegen die Brocken, und schon bald breitet sich eine gewaltige Staubwolke aus, nichts ist mehr zu sehen. „Mega, diesen Knall spürt man am ganzen Körper!“, ruft ein Mädchen begeistert. Auch die anderen staunen ob der Wucht und Wirkung der simulierten Felssprengung. Bald darauf macht sich die Gruppe auf und verlässt den Tunnel in Richtung Fahrparcours. Dort warten die „teuflischen“ Fahrräder, die genau das Gegenteil dessen machen, was man von einem Fahrrad gemeinhin erwartet. Dreht man den Lenker nach links, kurvt das Velo nach rechts, will man auf die rechte Seite, so muss man nach links steuern. Nur ganz wenige der rund 20 Primarschülerinnen und Primarschüler aus dem zürcherischen Oberdürnten, die diesen sonnigen Junifreitag im Verkehrshaus verbringen, schaffen den Parcours fehlerfrei. Trotzdem ist der Spassfaktor garantiert.

Der nachgebaute Tunnelabschnitt der NEAT, der teuflische Radfahrspass; beide sind sie Teile der Ausstellung Alpenqueren, die seit April im Verkehrshaus läuft. Als Hommage an das 125-jährige Jubiläum der Gotthardbahn wird der Transit über und durch das Herz der Alpen thematisiert. Der Bergriff „quer“ ist dabei mehr als nur Titel, er ist Konzept. Alpenqueren führt quer durch das gesamte Areal des Verkehrshauses und wird deshalb, in Anlehnung an die NEAT, auch als „NAT“ angepriesen, als Neue Ausstellungstransversale. Zwei gelbe Linien weisen dem Besucher vom Eingang an den Weg durch die „NAT“.

„Das Thema Alpentransit hat einen starken Bezug zu den historischen Transportmittel, die wir ausstellen“, sagt Sibylle Maurer, Leiterin des Schuldiensts im Verkehrshaus. „Alpenqueren nutzt diesen Bezug, bringt aber gleichzeitig viele neue Aspekte zu den Alpen ins Spiel.

Welche Herausforderungen hatten Eisenbahn- und Strassenbauer zu bewältigen, um den Gotthard zu überwinden? Wie anstrengend ist es, mit eigener Muskelkraft in den Bergen unterwegs zu sein? Wie sah der Alltag eines Tunnelarbeiters 1875 aus? Und wie heute? Diese und viele weitere Fragen beleuchtet Alpenqueren von verschiedenen Standpunkten aus, gross geschrieben werden dabei handlungsorientierte und entdeckende Aktivitäten.

Beliebte Schlüsseltouren
Neben den gelben Linien am Boden, die durch die „NAT“ führen, stechen dem Besucher in regelmässigen Abständen Kinder oder Jugendliche in gelben Leuchtwesten in die Augen. Wer eine solche „Alpenquerer-Weste“ trägt, ist auf einer Schlüsseltour. Zur Weste gehört ein Schlüssel, der Zugang zum einem Fach mit einer Tourenkarte verschafft. Insgesamt gibt es 18 verschiedene Schlüsseltouren. Jede stellt eine Person ins Zentrum, die mit der Geschichte des Eisenbahnbaus am Gotthard verknüpft ist.

„Die Schlüsseltouren kommen bei Schulklassen sehr gut an“, erläutert Sibylle Maurer. „Sie lassen viel Freiraum für individuelle Neugier, bringen gleichzeitig aber eine klare Struktur in die ‚NAT’.“ Das bestätigt Othmar Elmiger, der zusammen mit weiteren Lehrpersonen und fünf Schulklassen aus Triengen ins Verkehrshaus gekommen ist. „Wir haben im Unterricht den Gotthard und auch den Bau der NEAT behandelt.“ Da habe sich der Besuch von Alpenqueren förmlich aufgedrängt. Einen Teil des Nachmittagsprogramms mit den fünf Klassen basiere auf einzelnen Schlüsseltouren. „Für die Schülerinnen und Schüler ist es abwechslungsreich, sich anhand der Tourenkarten in den verschiedenen Ausstellungshallen zu bewegen.“

Der Teufel will den Ersten
Noch bevor die Säumer und später die Eisenbahnbauer den Gotthard bezwangen, war der Teufel der erste, der mit dem Bau seiner Teufelsbrücke über die Schöllenenschlucht den Weg zwischen Nord und Süd ebnete. Als Preis für seine Brücke verlangte er von den Urnern die Seele des ersten, der über seine Brücke ging. Die Urner liessen sich gerne auf diesen Pakt ein und schickten dem Teufel einen Ziegenbock über die Brücke. So will es die Sage.

Alpenqueren präsentiert neben der Sage die wahrscheinlichere Variante zum Bau der Teufelsbrücke. Es war der Schmied von Göschenen, der die Brücke als Hängesteg im 13. Jahrhundert errichtete. Doch über einen solchen Hängesteg zu balancieren ist nicht einfach, dies merkten die Trienger Schülerinnen und Schüler bei ihren Versuchen, zu dritt oder zu viert über einen hängenden Steg im Verkehrshaus zu gehen.

Auch die Schülerinnen und Schüler der Heilpädagogischen Schule Sandacker in Schaffhausen hatten am Hängesteg ihren Spass. „Wir sind ins Verkehrshaus gekommen, um die Swissarena und das Planetarium zu besichtigen“, sagt Heilpädagoge Reto Beeler. „Doch Alpenqueren ist überall präsent und hat meine Schüler durch die vielen handelnden Elemente angesprochen.“ Erstaunt habe ihn, dass sich die Mädchen genauso wie die Knaben von der technischen Seite des NEAT-Baus packen liessen. „Die Brandschutzmauern und die Sicherheitsvorkehrungen im Tunnelbau haben sie beeindruckt“, so Beeler. Die NEAT ist in der NAT an diversen tunnelartigen Stationen dokumentiert. Neben bautechnischen Erklärungen fallen vor allem die Porträts von Arbeitern der NEAT-Baustelle auf. Sie vermitteln die emotionale, menschliche Ebene dieses Grossprojekts.

Viele Partner halfen mit
Für die aussergewöhnliche Ausstellung Alpenqueren gelang es dem Verkehrshaus, namhafte Partner zu finden. „Sämtliche Bewegungsangebote, sei es die Hängebrücke, seien es die teuflischen Räder, hat die ETH Zürich gemeinsam mit der SUVA konzipiert“, erklärt Sibylle Maurer. Den originalgetreuen 30-Meter-Abschnitt eines NEAT-Tunnels verdankt das Verkehrshaus der Bauunternehmung Implenia. „Mit diesen Partnern konnten wir unserem Credo am besten gerecht werden: Viele sinnorientierte Auseinandersetzungen mit Originalmaterial ermöglichen.“

Als Tüpfelchen auf dem i-Punkt läuft parallel zu Alpenqueren im IMAX der neue Film „Die Alpen“. Gemacht hat den Film der Amerikaner John Harlin III, der seine Affinität zu den Bergen wohl von seinem Vater vererbt bekam. John Harlin senior bestieg 1966 als erster die Direktroute durch die Eigernordwand, musste seine Pionierleistung jedoch wegen eines gerissenen Seils mit dem Leben bezahlen. Der IMAX-Film „Die Alpen“ zeigt fantastische Berglandschaften und macht gleichzeitig auch auf die Folgen der Klimaerwärmung in den Alpen aufmerksam.

 

Weiter im Netz
www.alpenqueren.ch
(Die Ausstellung läuft bis zur Neueröffnung des Verkehrshauses im Sommer 2009.)

www.verkehrshaus.ch
(Unter der Rubrik Schuldienst stehen Unterrichtsmaterialien zum Download bereit.)

alpenqueren.pdf (90.46 KB)