Rassismus: Online wie offline eine traurige Realität

1. Dezember 2020
Rassismus: Online wie offline eine traurige Realität

Ein Stadtplan, der die koloniale Vergangenheit Berns thematisiert: bern-kolonial.ch. (Illustration: Simon Kiener)

Die Mohrenkopf-Debatte, der Ku-Klux-Klan an der Schwyzer Fasnacht: Diskussionen um Rassismus werden lauter. Zu seiner historischen Dimension liegen gute Unterrichtsideen vor.

Wer in diesen Tagen über Rassismus spricht, denkt in aller Regel an die Ereignisse im Sommer in den USA. Der durch Polizeigewalt verursachte Tod von Georg Floyd löste eine globale Welle von Protesten aus. "Black lives matter" mobilisierte viele Leute. Diese seit 2015 aktive Bewegung ist ein gutes Beispiel, wie man durch soziale Netzwerke zu einer gemeinsamen Stimme findet und sich organisiert. Der Austausch geschieht grösstenteils online, ein wichtiges Element sind Hashtags, weshalb man auch von Hashtag-Aktivismus spricht.

Das Einstehen für die schwarze Community hat in den vergangenen Monaten aber eine weitere Kontroverse ausgelöst: Sind die verschiedenen ethnischen Gruppen auf Instagram und in anderen sozialen Netzwerken gleichberechtigt? Oder bevorteilen soziale Netzwerke Inhalte weisser Menschen und beschränken die Reichweite von Inhalten anderer Gruppen? Instagram hat auf diese Vorwürfe reagiert und will seine Filter für das sogenannte „Shadowbanning“, die unbegründete Einschränkung der Sichtbarkeit einzelner Beiträge, prüfen. Der Dienst will auch seine Algorithmen unter die Lupe nehmen, um zu vermeiden, dass sich verzerrte gesellschaftliche Wahrnehmungen ins Netz übertragen.

Völkerschauen in Zürich

In der Schweiz haben jüngst die Ku-Klux-Klan-Kutten an der Schwyzer Fasnacht oder die von der Firma Dubler als "Mohrenköpfe" vertriebenen Schokoküsse Debatten ausgelöst. Wurde die Aktion in Schwyz weitherum verurteilt – die zuständige Staatsanwaltschaft büsste die Beteiligten wegen grober Belästigung – so ist die öffentliche Meinung bei den "Dublern" geteilt.

Diese laufenden Debatten machen vor dem Schulzimmer nicht Halt. Auch mit einem historischen Blick bieten sich spannende Anknüpfungspunkte zum Thema Rassismus an. Bis weit ins 20. Jahrhundert lockten in Europa Völkerschauen viel Publikum an. Zoos inszenierten Menschen aus fernen Ländern als "Exoten" und stellten sie aus. Der Zirkus Knie führte auf dem Zürcher Sechseläutenplatz bis 1964 Völkerschauen durch. Es gibt eine greifbare Vergangenheit, die vom Motiv der Überlegenheit gegenüber anderen Menschen und Ethnien dominiert war. Den ideologischen Überbau bildete die Vorstellung der kolonialen Vormacht Europas. Dieser weniger gerne beleuchtete Aspekt der Schweizer Geschichte steht im Zentrum des Ideensets "Postkoloniale Schweiz" der PHBern. Die Unterrichtsmaterialien greifen Völkerschauen, katholische Missionen, Sklaverei und die Situation der Afrikanerinnen und Afrikaner in der Schweiz auf. Ausgerichtet auf den 3. Zyklus, enthält das Ideenset neben handlungsorientierten Inputs und frei verfügbaren Arbeitsblättern einen didaktischen Kommentar, der die Einbettung im Unterricht klärt (bit.do/fK9AJ).

Eine weitere Quelle für historische Bezüge bildet die Publikation "Fremde Bilder - Koloniale Spuren in der Schweiz", entstanden in der Zusammenarbeit der Universität und der PH Luzern. Vier Kapitel gehen auf Völkerschauen, die Missionierung in Afrika, die Sklaverei und die Afrikaner im Kanton Luzern ein. Die Broschüre bietet eine grosse Auswahl an Materialien und Aufgaben, jedes Kapitel enthält zudem eine Einführung in den historischen Zusammenhang (bit.do/fK9AN).

Berns kolonialer Stadtplan

Um die kolonialen Verstrickungen der Stadt Bern zu dokumentieren, hat die Stiftung Cooperaxion einen Online-Stadtplan entwickelt, der in der Hauptstadt auf Spurensuche geht. So erfährt man, wie die Geranien zu uns gelangten (nein, da waren keine Gärtner im Spiel), wie René Gardis Film «Mandara» das hiesige Afrikabild prägte oder wie Tilo Frey als erste schwarze Frau Nationalrätin wurde (bern-kolonial.ch).

Doch wie steht es um aktuelle Diskriminierungserfahrungen von Kindern und Jugendlichen in der Schule? Schulen in Deutschland sammeln auf Twitter unter dem Hashtag #SchuleOhneRassismus Beispiele aus ihrem Alltag und berichten über ihre Erfahrungen. Dabei wird deutlich: Die Sensibilisierung ist gewachsen, oft äussern sich Vorfälle durch beleidigende und aggressive Sprache. Dies zu thematisieren, hilft allen Kindern und Jugendlichen, nicht nur den betroffenen.

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