So twittern Lehrerinnen und Lehrer

1. Oktober 2015
So twittern Lehrerinnen und Lehrer

Unter dem Hashtag #EdchatDe tauschen sich Lehrerinnen und Lehrer auf Twitter wöchentlich zu Bildungsfragen aus (Bild: flickr.com/photos/kinetoskop).

Seit 2013 organisieren zwei deutsche Lehrer Chatrunden auf Twitter. Dabei vermischt sich persönliche Unterrichtserfahrung mit informeller Weiterbildung.

Jeden Dienstagabend zwischen 20 und 21 Uhr läuft der pädagogische Draht auf Twitter heiss: Lehrerinnen und Lehrer diskutieren eine Stunde lang über Bildungsfragen, stellen Ideen vor und reichen Tipps weiter. Das Format “Edchat” (Educational Chat) stammt ursprünglich aus den USA. Rund 300 englische Edchat-Gruppen, die meisten regional verankert, tauschen sich regelmässig auf Twitter aus. 2013 haben die beiden Lehrer Torsten Larbig und André Spang entschieden, auch im deutschsprachigen Raum aktiv zu werden. Daraus resultierte der EdchatDe.
Um die einstündigen Diskussionen zu strukturieren, schlagen Larbig und Spang im Wechsel mit anderen Moderatoren Themen vor – die Community stimmt über diese ab. Danach formulieren die Moderatoren zum ausgewählten Thema sechs oder sieben Fragen. Jeder Edchat startet mit einer Präsentationsrunde; alle, die mittwittern wollen, stellen sich kurz vor. Im Anschluss folgen im 10-Minuten-Takt die einzelnen Fragen. So entstehen Chats zu Themen wie “Handyverbot an Schulen - Was tun?”, “Lehrer oder Lernbegleiter: Kontrollverlust als Programm” oder “(Was) kann ich in sozialen Medien lernen?”. Ein Schwerpunkt der Diskussionen bildet das Lernen mit neuen Medien.
Wer sich aktiv am EdchatDe beteiligen will, benötigt ein Twitter-Konto. Themen lassen sich auf Twitter dank “Hashtags” ordnen. Alle Nachrichten zum deutschen Edchat führen den Hashtag #EDchatDE. Das garantiert, dass man sie findet und dass sie innerhalb eines Gesprächsverlaufs sichtbar bleiben. Dieser Überblick ist wichtig, kommen doch pro Dienstagabend an die 800 Tweets von 50 bis 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusammen. Um einen Einblick in den EdchatDE zu erhalten, reicht eine Suche mit dem Hashtag #EdchatDE.

“Lohnt sich für Lehrpersonen”
Ein Schweizer Lehrer, der sich regelmässig am EdchatDe beteiligt, ist Urs Henning. “In erster Linie motiviert mich der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, von denen ich ohne Social Media nicht einmal wüsste, dass es sie überhaupt gibt”, sagt der in Wattwil tätige Mittelschullehrer. “Der EdchatDe ist ein dynamisches Gebilde, für mich gehört diese Art der Vernetzung zum Unterricht der Zukunft dazu.” Der regelmässige Austausch zu praktischen Bildungsfragen, zu Tools und neuen Lehr- und Lernmethoden verschafft Urs Henning Woche für Woche Anregungen, die oft direkt in seinen Unterricht einfliessen. “Seien es Konzepte, Ideen, Links, Tools oder die Möglichkeit zur Zusammenarbeit: Es lohnt sich für Lehrpersonen, mal vorbeizuschauen.”
Mitgründer Torsten Larbig schätzt am EdchatDe vor allem die Qualität der Beiträge und die nunmehr seit zwei Jahren andauernde Kontinuität. “Wir wollten einen Chat gründen. Dass sich daraus eine Community entwickelt, hat uns völlig überrascht”, erklärt Larbig. “Zugleich freut uns das natürlich, weil sich daran zeigt, dass auch Lehrer eine Graswurzelbewegung auslösen können.” Getwittert wird beim EdchatDe vornehmlich aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch aus den USA, Kanada, Ungarn, Griechenland, Dänemark, Frankreich und weiten Ländern beteiligen sich Interessierte. Möglich macht diese internationale Ausstrahlung ein Lehrer, der die Beiträge des deutschen Edchats ins Englische übersetzt.

Beschränkung als Mittel und Zweck
Charakteristisch für Twitter ist die Reduktion der einzelnen Tweets auf 140 Zeichen. Diese Beschränkung macht das Netzwerk auch für den Unterricht spannend. Von Messen und Tagungen bekannt sind die “Twitterwalls”, Listen von Tweets, die Fragen zur Konferenz stellen oder sie kommentieren. Das ist als Unterrichtsszenario denkbar, als alternative Feedbackform zu Lehrer- oder Schülervorträgen. Auf ähnliche Weise kann eine Twitterwall den Einstieg in ein neues Thema bilden, um das Vorwissen und die offenen Fragen dazu zu sammeln.
Unter dem Begriff “Virtual Reenactement” sind in Verbindung mit historischen Ereignissen mehrere Unterrichtsprojekte entstanden. So lassen sich Beispiele finden, wie Schülerinnen und Schüler aus Sicht einer historischen Person geschichtliche Umbrüche nachverfolgen: Wie die Spanier Mexiko erobert haben (twitter.com/eisenmed/lists/conquista), die Reichspogromnacht in 140 Zeichen (twitter.com/digitalpast) oder das Kriegsjahr 1914 (twitter.com/1914Tweets). Urs Henning führt auf seinem Blog weitere Ideen zum Unterrichtseinsatz auf.
 

 

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