Wenn die Datenbank weiter rechnet

1. Februar 2013

Ein Beispiel von „Adaptive Learning“: Der an der TU Graz entwickelte 1x1-Trainer berücksichtigt den individuellen Lernstand. 

Lernprozesse begleiten und analysieren, die zentrale Aufgabe des Lehrerberufs. Unter dem Trendbegriff „Learning Analytics“ stossen Lernprogramme in diesen Bereich vor und versuchen, das Lernen vorausschauend anzuleiten.

Das kleine Einmaleins – ein klassischer Lerninhalt der ersten Schuljahre. Üben und wiederholen, lautet das Credo. Dabei führen viele Wege nach Rom, unzählige Lernmethoden versprechen Erfolg: Die Einmaleins-Tafel, der Einmaleins-Plan, die A-B-C-D-Methode und viele mehr. Auch an Übungsmaterial fehlt es nicht. Zeitintensiv ist hingegen das Analysieren gelöster Übungen, um sich einen Überblick über die Fortschritte und Probleme einzelner Schülerinnen und Schüler zu verschaffen. Wer mit der Achter-Reihe nicht klarkommt, benötigt andere Zugänge, als jemand, der mit der Multiplikation ungerader Zahlen kämpft.

Dieser Herausforderung hat sich der E-Learning-Experte Martin Ebner der Technischen Universität Graz gestellt. Er hat mit seinem Team ein Lernprogramm entwickelt, das nicht bloss das Einmaleins durchexerziert, sondern auf die Bedürfnisse der Lernenden eingeht. Der „1×1 Trainer“ trainiert Lernende gezielt, indem er sich an die individuelle Lerngeschwindigkeit und an die Stärken und Schwächen anpasst. Herzstück des Programms ist ein Algorithmus, der den Wissenstand einer Schülerin, eines Schülers erkennt und daraus die passenden Aufgaben ableitet. Um dies leisten zu können, speichert das Programm, was eingeben wird und ist bereits nach einigen Rechnungen fähig, einen Lernenden einzuschätzen und mit individuellen Aufgaben zu fördern. Seit neun Monaten ist der kostenlose 1x1-Trainer verfügbar, sei es als Webanwendung oder als App für iOS und Android (http://mathe.tugraz.at). Bis anhin haben sich 1000 Kinder registriert, ein Viertel davon im Rahmen eines Schulprojektes, der grosse Rest aus Eigeninteresse und ohne besonderes Zutun der TU Graz.

Grosse Resonanz

Und die Nutzung des 1x1-Trainers lässt sich sehen. Auch dank der mediengerechten Umsetzung mit spielerischen Übungen wurden über 60’000 Rechnungen ausgeführt. Eine Datenfundgrube, die in dieser Dimension neue Aussagen zum Lernverhalten erlaubt. Das Programm kann individuelle Lernsequenzen wie auch Gruppenstatistiken visualisieren und auf einen Blick deutlich machen, wo alles rund läuft oder wo Probleme auftauchen. So scheint aufgrund einer Gesamtauswertung der Daten klar, dass etwa das Multiplizieren mit der Zahl 8 (4x8, 5x8, 6x8, ...) am meisten Schwierigkeiten bereitet. Wer sich ausführlich über das Projekt des 1x1-Trainers informieren will, erhält in einer Vortragsaufzeichnung von Martin Ebner weitere Fakten (goo.gl/nOgkC).

Neben dem 1x1-Trainer hat das Team der TU Graz weitere Lernprojekte in Angriff genommen, beispielsweise ein Mathe-Bingo zur Addition im Zahlenraum 100. Eine Übersicht aller Projekte liefert http://app.tugraz.at.

Trend Learning Analytics

Die Grazer Lernprogramme stehen stellvertretend für einen Trend, der sich in jüngster Vergangenheit akzentuiert. Umschrieben mit den Begriffen „Learning Analytics“ und „Adaptive Learning“ versuchen Lernprogramme und Lernumgebungen, ihre Nutzer genauer zu analysieren und sich intuitiver an deren Ansprüchen zu orientieren. Neu ist diese Entwicklung nicht, bereits in den 90er-Jahren waren Lernprogramme fähig, aus getätigten Eingaben nächste Schritte abzuleiten. Neu aber ist die Menge an Daten, die diese Prognose verfeinert. So kann beispielsweise ein Learning Management System wie Moodle, das in der Hochschullehre stark verbreitet ist, heute diverse Aktivitäten aus dem formellen und informellen Lernumfeld von Studenten auswerten. Angefangen bei der Nutzung von Foren, über die Beteiligung an gemeinsamen Wikis bis hin zu Social-Media-Aktivitäten.

Ein weiteres beliebtes Forschungsfeld von Learning Analytics sind so gennante MOOCs – Massive Open Online Courses. Damit sind interaktive Lehrgänge gemeint, die frei zugänglich sind und in der Regel von Universitäten geführt werden. Beispiele hierfür sind coursera.org, edx.org oder udacity.org. Wenn hier schon mit den Inhalten kein Geld verdient wird, so wollen sich die Hochschulen mit einer vertieften Nutzungsanalyse darüber klar werden, welche Angebote wie durchlaufen werden und wo zum Beispiel künftige Bildungsmärkte liegen könnten. Hier entstehen auch für die Pädagogik brachliegende Daten und Analysemethoden.

Zu bedenken sind dabei die bekannten Probleme personenbezogener Daten: Wenn beinahe jede Lernaktivität erfasst und mit einem Personenprofil verknüpft wird, ist der Begriff vom „gläsernen Studenten“ nicht allzu weit.