Wiki und die starke Schule

1. September 2014

Die Online-Ausgabe von "Der Wiki-Weg des Lernens" enthält bereits über 200 Leserkommentare.

Wer Wissen kollaborativ erarbeiten und austauschen will, kommt am Wiki-Prinzip nicht vorbei. Mit dem Buch “Der Wiki-Weg des Lernens” liegt nun ein Standardwerk für Wikis in der Schule vor.

Wikipedia wird Weltkulturerbe! Mit dieser Forderung feierte der Trägerverein Wikimedia 2011 das 10jährige Jubiläum der freien Wissensenzyklopädie. In die Liste der immateriellen Kulturgüter der UNESCO hat es bis dato nicht gereicht, doch das weltweit bekannteste Wiki wächst auch in seinem 13. Jahr ungebrochen weiter. Aktuell liegt Wikipedia auf Platz sechs der weltweit meistbesuchten Websites und verfügt über 30 Millionen Artikel in mehr als 280 Sprachen. Wie wichtig dieses Nachschlagewerk ist, belegen zudem die wiederkehrenden Manipulationsversuche, die laufend aufgedeckt werden. Als jüngstes Beispiel gelten die prorussisch motivierten Einträge zum Konflikt in der Ostukraine.     
In technischer Hinsicht versteckt sich hinter einem Wiki ein Softwarepaket für Webseiten. Dieses ermöglicht, Texte nicht nur online zu lesen, sondern auch direkt im Webbrowser zu bearbeiten. Änderungen an einzelnen Seiten werden in einer Versionskontrolle dokumentiert. Auf diese Weise lassen sich Informationen zu einem Thema gemeinsam sammeln und strukturieren – in einem jederzeit transparenten Prozess. Welche Potenziale hierin für die Bildung brach liegen, zeigt das Buch “Der Wiki-Weg des Lernens” auf.
Herausgegeben haben “Der Wiki-Weg des Lernens” Beat Döbeli Honegger und Michele Notari. Notari ist Dozent für Medienbildung an der PH Bern, Döbeli Honegger forscht an der PH Schwyz zu digitalen Medien in der Bildung. Neben den beiden Herausgebern dokumentieren im Sammelband Lehrpersonen sowie Bildungswissenschafterinnen und -wissenschafter ihre Arbeit mit Wikis. Historische Quellen beschreiben und interpretieren, ein Lyriklexikon aufbauen, gemeinsam einen Text in einer fremden Sprache verfassen, in einem mehrstufigen Vorgang Wissen zu einem Thema sammeln und strukturieren: Wikis unterstützen über alle Schulstufen und Fachbereiche hinweg den Lernprozess einer Gruppe. Auch Schwierigkeiten, die auftreten können, kommen im Buch zur Sprache. Hemmungen, das Geschriebene von Mitschülerinnen oder Mitschülern zu überarbeiten, Probleme mit der Wiki-Syntax oder dem Texteditor, die Herausforderung, gemeinsam zu schreiben. Es braucht immer eine präzise Einführung, damit aus einem Wiki ein effizientes Werkzeug wird.

Wo bleiben die Schulwikis?
Veröffentlicht im Winter 2013, liegt bereits eine chinesische Übersetzung von “Der Wiki-Weg des Lernens” vor, eine englische ist in Arbeit. “Wiki ist zwar kein Hype-Thema mehr”, sagt Beat Döbeli Honegger. “Die geplanten Übersetzungen zeigen aber, dass Interesse am Thema und am Buch vorhanden ist.” Ergänzend zu den unterrichtspraktischen Beispielen geht das Buch auch technische Fragen ein (Welche Wiki-Distributionen sind geeignet? Soll man ein Wiki selber hosten oder das Hosting mieten?), und es werden Bezüge zur konstruktivistischen Lerntheorie und zum kollaborativen Wissenserwerb aufgezeigt. Wer sich für das Wiki-Prinzip interessiert und damit im Unterricht arbeiten möchte, findet in „Der Wiki-Weg des Lernens“ eine äusserst empfehlenswerte Lektüre.
Jedoch: Weshalb haben Wikis als eine digitale Kulturtechnik, die für das Sammeln und Festigen von Wissen prädestiniert ist, in den vergangenen 10 Jahren noch nicht richtig in der Schule Fuss gefasst? „Gemeinsam Texte zu verfassen – und dazu noch am Computer – ist für die Schule etwas Neues, das didaktische Potenzial muss erst erkannt werden“, erläutert Beat Döbeli Honegger. “Auch heute stehen in den Schulen oft noch zu wenig Geräte zur Verfügung, damit der organisatorische Aufwand für die Wiki-Nutzung nicht zu gross wird.” Zudem könne die völlige Unstrukturiertheit eines leeren Bildschirms, einer leeren Webseite überfordernd wirken. Wie bei einem weissen Blatt Papier müsse man zuerst lernen, Informationen zu strukturieren. “Keine leichte Aufgabe, aber eine wichtige Kompetenz im Zeitalter der Informationsgesellschaft”, sagt Döbeli Honegger.
“Der Wiki-Weg des Lernens” ist im HEP-Verlag erschienen und kostet 35 Franken. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Buch kostenlos als PDF zu beziehen oder online zu lesen – und zu kommentieren (www.wikiway.ch).
 

09_2014.pdf (679.5 KB)

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