Wo Evaluation endet, beginnt Qualitätsmanagement

1. Oktober 2015
Wo Evaluation endet, beginnt Qualitätsmanagement

Angeregte Diskussionen mit internationalem Flair: Am Schulleitungssymposium trafen sich Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis. (Bild: Nils Holgersson)

Wie können Schulleitungen Qualität in der Schule steuern? Was tut sich in Sachen Bildungsgerechtigkeit? Diese Fragen standen am Bildungs- und Schulleitungssymposium  im Fokus.

So international wie sich die Stadt Zug gibt, so international zeigte sich Anfang September die PH Zug. Über 750 Expertinnen und Experten aus 50 Ländern trafen sich am vierten Bildungs- und Schulleitungssymposium am Fuss des Zugerbergs, um über aktuelle Entwicklungen in der Schulführung zu diskutieren. Von Australien über Taiwan, vom Iran über Finnland, von Kanada über Bolivien - an den Stehtischen und in den Gängen fanden während der Referatspausen illustre und bunt gemischte Runden zusammen.
Der grösste Teil der Gäste stammte aus der Schweiz und aus Deutschland. So beispielsweise die Schulleiter der Schule Melligen, Felix Burkhard und Stefan Lüpold, die in einem Workshop ihr elektronisches Schulführungssystem vorstellten. Als Lehrperson kennt man das: Wo finde ich das Formular für die Sonderschulung, wo liegt die Weisung für den Übertritt, wo die aktuelle Lehrmittelliste? Im Alltag jederzeit über sämtliche aktuellen Informationen und offiziellen Dokumente zu verfügen, kann ganz schön Zeit beanspruchen. Hier setzt das elektronische Schulführungssystem der Schule Melligen an. Diese Webplattform hält nicht nur im Stil einer klassischen Dateiablage alle offiziellen Dokumente bereit, sondern bildet online die Prozesse ab, die hinter jedem Arbeitsschritt stehen. So wird das Anmeldeverfahren für die Sonderschule Schritt für Schritt visualisiert. Das sorgt für Transparenz innerhalb der Schule – Schulleitung, Lehrpersonen und Administration arbeiten nach einheitlichen Prozessen. Deshalb ist das elektronische Schulführungssystem für die Melliger Schule nicht einfach “eine Plattform mehr”, es soll das Prozessmanagement und die Qualität der Schule festigen. "Aufwändig war nicht etwa die technische Umsetzung”, erklärte Stefan Lüpold während des Workshops. ”Aufwändig war das Festlegen und Klären der Prozesse. Hierbei haben wir uns in kleinen Teams mit unseren Lehrpersonen und Spezialisten ausgetauscht. Das war enorm hilfreich, weil sich dadurch zeigte, dass einige Abläufe nicht für jedermann selbstverständlich waren und Klärungsbedarf brauchten."

LCH als Partner beteiligt
Der Input  Felix Burkhard und Stefan Lüpold führte vor Augen, wie eine Schule internes Qualitätsmanagement betreibt. Stefan Chiozza ging in seiner Präsentation auf die Frage ein, wie sich solche internen Qualitätssysteme mit externer Evaluation koppeln lassen. Als Leiter der Fachstelle Schulqualität im Kanton Appenzell-Ausserrhoden weiss Chiozza um die Wichtigkeit dieser Verzahnung. “Damit die externe Evaluation im Schulhaus ankommt, darf sie nicht mit dem Schlussbericht enden. Es braucht eine vereinbarte Nachbereitung, die mit dem Schlussbericht erst beginnt", sagte Stefan Chiozza. Er bespreche jeden Bericht mit der Schulleitung und lege den Schwerpunkt darauf, die Erkenntnisse in das interne Qualitätsmanagement einzubringen. So könne die Schule ihr Qualitätsmanagement auf die Evaluation abstützen und bei der nächsten Beurteilung aufzeigen, wo Veränderungen erfolgt seien.
14 Hauptreferate und 90 Workshops fanden an drei Tagen zum Tagungsthema “Bildungsqualität und Bildungsgerechtigkeit” statt. Voraus ging dem Bildungs- und Schulleitungssymposium das “International Seminar”,  welches den Gästen aus dem Ausland Schulbesuche in Zuger Schulen ermöglichte. Als einer von vielen Tagungspartnern war auch der LCH mit Beiträgen vertreten. Insbesondere die vom LCH und vom VSLCH lancierte Initiative “profilQ - Professionalisierung durch schulinterne Qualitätsentwicklung” stand im Zentrum mehrerer Workshops und Präsentationen.
Wo Bildungsqualität und -gerechtigkeit in der Schweizer Schule aktuell auf dem Prüfstand sind, verdeutlichte LCH-Präsident Beat W. Zemp in seinem Grusswort zur Eröffnung des Symposiums. Er wies auf drei Hot-Spots hin: Die Integration der Sonderpädagogik in die Regelschule, oft bei gleichzeitig laufenden Sparprogrammen; die schulische Versorgung von Sans-Papiers und Flüchtlingen; und die Tendenz, die Unentgeltlichkeit der öffentlichen Schule zu durchbrechen und Schulgelder und Gebühren zu erheben.     

Vier zentrale Themen für die Zukunft
Ins Leben gerufen hat das Schulleitungssymposium Stephan Huber, leitender Professor am Institut für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie IBB der PH Zug. Zur Ausgabe 2015 zieht Huber ein positives Fazit. “Ich bin mit dem Verlauf zufrieden. Es sind auch bereits an die 100 positive Rückmeldungen bei mir eingegangen”, sagt Stephan Huber. Was sich zudem bestätige, sei der hohe Wiederkehreffekt. “Wer einmal am Symposium war, kommt in der Regel wieder. Und es stossen mit jeder Ausgabe neue Gesichter dazu.”
Mit Blick auf die Deutschschweizer Schullandschaft ortet Huber vier zentrale Themen, die Schulleitungen in den nächsten Jahren beschäftigen werden: “Die Professionalisierung wird erstens im Personal- und zweitens im Qualitätsmanagement zu weiteren Veränderungen führen. Diese Prozesse werden für eine gute Schule noch wichtiger werden. Das heisst zugleich, dass Ressourcen zur Verfügung stehen müssen, damit Schulleitungen hier bestmögliche Arbeit leisten können.” Weiter erachtet Stepahn Huber den Umgang mit Heterogenität und das Konzept der Inklusion als zukunftsweisend. “Wenn man sich die aktuellen Migrationsbewegungen in Europa vor Augen führt, so erhält diese Entwicklung zusätzliche Dynamik. Die Schule als System kommt nicht darum herum, sich dieser Herausforderung zu stellen und im Grundsatz auf Heterogenität als Normalfall zu setzen.”
Als vierten Aspekt nennt Huber die Ressourcenpflege, konkret die Gesundheit. Eine aktuelle Studie zeige, dass ein Sechstel der Schulleiterinnen und Schulleiter in der Deutschschweiz zur Gruppe der potenziellen Burn-out-Gefährdeten zähle. Ein System, das immer professioneller arbeiten und zusätzliche Anforderungen erfüllen müsse, brauche ausgleichende Ressourcen. “Wir werden in Kürze mit unseren Partnern die Planung für das Symposium 2017 aufnehmen. Ich gehe davon aus, dass diese Themen die Programmschwerpunkte bilden werden.”
Der Termin für das nächste Bildungs- und Schulleitungssymposium steht bereits fest: Es findet vom 6. bis 9. September 2017 wiederum an der PH Zug statt.
 
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