Textverarbeitung, die ohne Installation von Software funktioniert: www.writely.com
Textdokumente online verwalten, Fotos online bearbeiten und veröffentlichen oder die eigene Agenda mit den Terminen von Freunden und Kollegen synchronisieren: Web 2.0 macht’s möglich.
Vor ziemlich genau einem Jahr verwendete der amerikanische Buchautor und Software-Entwickler Tim O’Reilly in einem seiner Aufsätze erstmals den Begriff „Web 2.0“. Seither muss seine Wortkreation für alles hinhalten, was neu ist im Internet. Web 2.0 wurde zu einem Marketing-Gag. So meinte Tim Berners-Lee, Mitbegründer des Internets: „I think Web 2.0 is of course a piece of jargon, nobody even knows what it means.“ Auch wenn die Meinungen zu diesem Begriff geteilt sind; den Wandel, den das Internet in jüngster Vergangenheit durchlief, verneinen weder Experten noch Laien.
Als Tim O’Reilly von Web 2.0 sprach, meinte er keine konkrete Homepage oder Software. Er umschrieb damit in erster Linie ein verändertes Nutzerverhalten. Lag einem Internet-User der ersten Stunde die Suche nach Information am Herzen, so ist der heutige Surfer nicht selten auch Autor von Beiträgen. Seien es Blog-Einträge, Bilder, Sprechbeiträge oder Videos: Es war noch nie so einfach wie heute, Inhalte im Internet zu platzieren – ob mit oder ohne persönliche Homepage. Hinter dieser Entwicklung stecken eine Reihe neuer Web-Technologien, die das Internet, simpel ausgedrückt, immer dynamischer werden lassen.
Zu erklären ist diese Dynamik ausserdem mit der verschwindenden Trennung zwischen Heim-Computer und Internet. Wer surft, verwendet das Internet zunehmend als Datenspeicher, indem er beispielsweise seine Fotos nicht auf der eigenen Festplatte, sondern auf dem Bildportal www.flickr.com ablegt. Zugleich verschwindet auch die Trennung zwischen lokalen und internetbasierten Anwendungen. Viele Programme aktualisieren sich automatisch über das Internet. Darüber hinaus lassen sich einige klassische Anwendungen bereits heute alleine mit einem Internet-Browser, ohne installierte Software, ausführen.
Auch wirtschaftliche Prozesse stützen diese Dynamik. Einerseits kostet Speicherplatz auf einem Web-Server immer weniger Geld, anderseits ist die Verfügbarkeit von schnellen Internetschlüssen rapide gewachsen. So erklärte der Bundesrat vor einigen Wochen, ab 2008 gehöre ein Breitbandanschluss für jeden Schweizer Haushalt zur gesetzlich verankerten Grundversorgung – was vor wenigen Jahren noch ein Privileg weniger war, wird Bestandteil des Service public.
Writely statt Word
Konkrete Umsetzungen des von O’Reilly als Web 2.0 bezeichneten Phänomens gibt es einige. So ahmt das Konzept von www.writely.com Microsofts omnipräsentes Programm Word nach. Mit einem Internet-Browser lassen sich auf writely.com Texte schreiben, bearbeiten und abspeichern. Dasselbe garantiert www.ajaxwrite.com. Überhaupt bieten die Programmierer von Ajax – die Abkürzung steht für Asynchronous JavaScript and XML und erklärt die verwendete Technologie – eine ganze Reihe ausgezeichneter Programme, die ohne Installation laufen: Auf www.ajaxlaunch.com findet man einen Online-Ersatz für Excel, ein Zeichenprogramm, ein Bildbearbeitungsprogramm und ein Videoschnittprogramm. Auch die Software PowerPoint hat ihre virtuellen Pendants. Mit www.thumbstacks.com oder www.empressr.com lassen sich im Internet-Browser Bildschirmpräsentationen vorbereiten und veröffentlichen. Wer seine Agenda online verwalten und seine Termine auf einen Mausklick mit Freunden und Kollegen synchronisieren möchte, kann auf die Projekte www.calendarhub.com, www.google.com/calendar oder www.kiko.com zurückgreifen.
Alle diese Online-Anwendungen sind in ihrer Funktionalität gegenüber den gängigen Software-Lösungen eingeschränkt. Diese Einfachheit kann jedoch gerade im Schulalltag ein Vorteil sein, da die Web-Programme aus Benutzersicht übersichtlicher und klarer wirken. Ihr grösster Pluspunkt liegt aber im Kosten-Nutzen-Verhältnis: Nach einer Registrierung mit einer gültigen E-Mail-Adresse sind die vorgestellten, webbasierten Angebote gratis. Voraussetzung für deren Nutzung ist ein schneller Internetzugang und der Gebrauch des Internet-Browsers Firefox. Nur mit Firefox funktionieren alle Anwendungen reibungslos.
„Social Software“ sortiert das Netz
Web 2.0 bringt nicht nur webbasierte Programme mit sich, auch der Einbezug aller Nutzer verstärkt sich. Mit mühelos einzurichtenden Blogs verschafft sich heute jeder, der will, sein Sprachrohr in die virtuelle Welt. Gelungen in den Schulalltag umgesetzt hat die Blog-Technologie der Primarlehrer Marcel Ceron mit http://www.primarschulblog.ch.vu.
Die Mitbestimmung der Nutzer führt aber weiter: Auf stark frequentierten Informationsportalen wie www.digg.com oder www.yigg.de bestimmen User per Mausklick, welche Informationen für andere interessant sein könnten. Die Inhalte sowie der Aufbau dieser Websites liegen in den Händen der User. Solche Angebote werden mit dem Begriff „Social Software“ umschrieben und dürften das Internet in naher Zukunft mitprägen.