Social Media im Geschichtsunterricht? Tweets zum Ersten Weltkrieg zeigen, wie ein möglicher Zugang aussehen könnte.
Der Erste Weltkrieg markiert eine Zäsur in der jüngeren Weltgeschichte. Zur Erinnerung an die Ereignisse vor 100 Jahren lohnt sich ein Ausflug ins Netz, die Fülle an Quellenmaterial ist beeindruckend.
„Drei Tage lang lagen wir in den Granatlöchern, dem Tod ins Auge sehend, ihn jeden Augenblick erwartend. Dazu kein Tropfen Wasser und der entsetzliche Leichengestank. Die eine Granate begräbt die Toten, die andere reisst sie wieder heraus.” Als der Gefreite Karl Fritz im August 1916 seinen Eltern diese Zeilen schreibt, liegt er in den Schützengräben vor Verdun. Der Erste Weltkrieg befindet sich in seiner Endphase, verflogen ist die anfängliche Kriegseuphorie, das Überleben und Sterben an der Front und in den Schützengraben hat Europa desillusioniert. Nachlesen kann man Fritz’ Brief auf www.europeana1914-1918.eu, einem Portal, das Erinnerungsstücke zum Ersten Weltkrieg sammelt. Hier präsentiert sich eine imposante Kollektion von 400’000 Dokumenten aus Nationalbibliotheken, 600 Stunden Filmmaterial und 90’000 persönlichen Dokumenten, die digitalisiert wurden. Europeana ist ein von der EU geförderte virtuelle Bibliothek, die sich dem wissenschaftlichen und kulturellen Erbe Europas annimmt. Der Schwerpunkt zum Ersten Weltkrieg ist gut gelungen und sucht seinesgleichen, wenn es um digital verfügbares Originalmaterial geht.
Die aktuelle Geschichtsschreibung sieht im Ausbruch des Ersten Weltkriegs zugleich den Beginn des “kurzen 20. Jahrhunderts”. Vordenker und Verfechter dieser Interpretation war der englische Universalhistoriker Eric Hobsbawn, der diesen Begriff 1998 in seinem Werk “Zeitalter der Extreme” einführte. Dabei spannt Hobsbawn ausgehend von den kriegerischen Ereignissen zwischen 1914-1918 einen Bogen bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991 und dem damit endenden Ost-West-Konflikt.
Die für den Unterricht umfassendste Zusammenstellung an Weblinks rund um den Ersten Weltkrieg hat der deutsche Geschichtsdidaktiker Christoph Pallaske angelegt. In seinem Blog “Historisch denken - Geschichte machen” ordnet er unterrichtsrelevante Online-Angebote nach Verwendungszweck. So finden sich bei Pallaske Links zu Informationsseiten für Schülerinnen und Schülern, zu Lernaufgaben, zur Unterrichtsvorbereitung oder zu Medienangeboten (http://historischdenken.hypotheses.org/1840). Pallaske ist auch verantwortlich für das Portal “Selbstgesteuerter Geschichtsunterricht” der Universität Köln (www.segu-geschichte.de). Hier stehen mehrere Online-Module für den Ersten Weltkrieg offen, ergänzt mit Materialien zur Weimarer Republik und zum Zweiten Weltkrieg.
Einen spannenden Themenkanal führt Arte unter dem Namen “Mit offenen Karten” (www.arte.de). Diese wöchentlich ausgestrahlte Sendung erklärt in zehn Minuten anhand von Karten historische, geopolitische oder wirtschaftliche Sachverhalte. Untersucht werden beispielsweise die unmittelbaren Anlässe für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs: Der zunehmende Nationalismus, die Balkankriege von 1912 und 1913, der Niedergang des Osmanischen Reiches, das Attentat von Sarajevo oder die Julikrise von 1914.
Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung hat gemeinsam mit Lehrpersonen und Bildungsinteressierten versucht, offene und frei zugängliche Bildungsmaterialien (OER - Open Educational Resources) zum Ersten Weltkrieg zu entwickeln. In drei Workshops wurden mögliche Inhalte und Arbeitsinstrumente sondiert und diskutiert. Die Ergebnisse, die vor allem den Prozess in den Workshops wiedergeben, sind in einem Bericht dokumentiert (werkstatt.bpb.de/2013/12/offenes-ende). Darüber hinaus hält bpb.de ein umfangreiches Dossier bereit, das mit Themen wie “Frauenarbeit und Geschlechterverhältnisse” oder “Zivilisationskrise und moderne Kunst” weit über die militärischen und ereignisgeschichtlichen Aspekte hinausführt.
Wie sich Social Media im historischen Kontext nutzen lässt, verdeutlicht das Twitter-Konto “1914Tweets” (twitter.com/1914Tweets). Täglich werden hier Tweets veröffentlicht, die Ereignisse dieses Tages im Jahr 1914 aufrollen. Angefangen bei simplen Wettermeldungen bis hin zu Originalbildern oder Nachrichten aus der Weltpolitik entsteht so eine eigenständige Chronologie des Kriegsbeginns.
Wer einen Überblick über die Vielfalt der Online-Angebote sucht, ist mit dem Toplink “100 Jahre Erster Weltkrieg” von eudca.ch gut beraten (unterricht.educa.ch). Hier kommen auch Bezüge zur Schweizer Geschichte zum Vorschein. Die damalige Rolle der Schweiz in Europa und die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges bilden einen kommenden Schwerpunkt im Landesmuseum Zürich: Vom 28. August bis zum 26. Oktober nimmt sich die Ausstellung „14/18 – die Schweiz und der Grosse Krieg“ diesen Fragen an (www.nationalmuseum.ch).