Cybermobbing kann schnell unkontrollierbar werden und Betroffenen über den Kopf wachsen. (Bild: klicksafe.de)
Cybermobbing ist eine traurige Realität für Betroffene. Die gefährlichste Reaktion darauf: wegschauen.
Lisa filmt mit dem Smartphone, wie ihre Kollegen die Mitschülerin Elena hänseln und schlagen. Sie verbreitet den Film, er wird geteilt, kommentiert und ist bald Thema Nummer eins auf dem Pausenplatz. Die Situation belastet Elena stark. Selbstzweifel und Verunsicherung machen sich breit, sie zieht sich aus der Klasse und ihrem Freundinnenkreis zurück. Wie schnell und wie versteckt Jugendliche Cybermobbing ausgesetzt sind, zeigt dieses fiktive Beispiel. Neu ist die Debatte um Mobbing im virtuellen Raum nicht. Sie hat aber im vergangenen Herbst mit dem Suizid einer 13-jährigen Schülerin in Dietikon einen tragischen Höhepunkt erreicht. Nach dem Selbstmord gab eine andere Schülerin damit an, das Opfer gemobbt zu haben und drohte auf Instagram einem weiteren Mädchen. Der Fall ist aktuell bei der Jugendstaatsanwaltschaft Limmattal/Albis hängig.
Die JAMES-Studie 2016 hat 1000 Schweizer Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren zu Cybermobbing befragt. Jedem Fünften ist es schon passiert, dass er im Internet fertig gemacht wurde. Und jeder Zehnte sah sich dabei mit Beleidigungen und falschen Anschuldigungen konfrontiert. Diese Anteile verhalten sich seit der ersten Studie 2010 stabil. Was sich weiter zeigt: Jugendliche mit Migrationshintergrund sind häufiger von Cybermobbing betroffen. Eine ebenso entscheidende Rolle spielt das Bildungsniveau. Je höher es ist, desto weniger tritt das Phänomen auf.
Schnell eskaliert
Cybermobbing läuft grundsätzlich gleich ab wie herkömmliches Mobbing: Täter setzen sich in Szene und stellen jemand an den Pranger. Die Unterschiede liegen jedoch in der Reichweite und dem Eskalations-Potenzial. Ein Streit wird von vielen mitgelesen, das Tempo und die Ballung der Kommunikation kann überfordern. Und da die Täter im Internet nicht zwingend wahrnehmen, wie das Opfer reagiert, fehlt es oft an abdämpfender Empathie, das Cybermobbing wird rasch heftig. Zudem ist die Langlebigkeit der Spuren im Web problematisch. Selbst ein Schulwechsel verhindert nicht, dass “Online-Narben” wieder aufreissen.
Als direkte Anlaufstelle auf dem Smartphone hat die von der EU geförderte Initiative “Klicksafe” eine Erste-Hilfe-App entwickelt. In kurzen Videoclips geben Jugendliche Betroffenen konkrete Verhaltenstipps. Sie sprechen Mut zu und begleiten bei ihren ersten Schritten gegen (Cyber-)Mobbing. Dabei erhalten Jugendliche auch Hinweise, wie man beleidigende Kommentare auf Social-Media-Plattformen meldet, blockiert oder löscht (klicksafe.de). Als bewährter Fürsprecher der Jugend beschäftigt sich Pro Juventute seit Jahren mit Mobbing – offline wie online. Das Beratungstelefon 147 ist für sofortige Hilfe die richtige Wahl und führt auch die verfügbaren kantonalen Stellen auf (147.ch). Mit dem “Medienprofi-Test” bietet Pro Juventute eine präventives Instrument an, das bezüglich Umgang und Sicherheit im virtuellen Raum den Wissensstand der Kinder abholt und aufzeigt, mit welchen Inhalten man als Lehrpersonen ansetzen kann (medienprofis.projuventute.ch).
Wer mit Fachleuten über Cybermobbing spricht, erhält reihum den gleichen ersten Tipp: Nicht zuwarten oder wegschauen. Es ist einfacher, eine Mobbing-Situation im Anfangsstadium aufzufangen. Einen Einblick in die zugrunde liegenden Prozesse in sozialen Medien verschafft das im HEP-Verlag erschienene Buch “Fit und fair im Netz”. Der Freiburger Schulsozialarbeiter Felix Rauh vermittelt Hintergrundwissen und zeigt mögliche Präventionsschritte auf, sei es zu Cybermobbing, zu Sexting oder zu Cyberbullying. Sein Ratgeber basiert auf zwei Fallgeschichten, die als Text- und als Comicversion vorliegen. Ergänzt wird “Fit und fair im Netz” mit online verfügbaren Unterrichtsmaterialien (hep-verlag.ch, 28 Franken als Buch).
In der Klasse thematisieren
Wieso nicht mit Schülerinnen und Schülern einen “Anti-Cyber-Mobbing-Vertrag” ausarbeiten? Die Unterrichtseinheit “Cybermobbing” nimmt sich genau das vor. Schülerinnen und Schüler setzten sich in Klassengesprächen mit dem Thema auseinander. Sie zeichnen einen Comic und erarbeiten einen Aktionsplan für ihre Schule. Daraus soll ein Verhaltensvertrag für die Schule resultieren. Die Unterrichtseinheit eignet sich für Schülerinnen und Schüler im Alter von 10 bis 15 Jahren (netla.ch). Weitere Inputs zur Sensibilisierung und zum Medienschutz hält jugendundmedien.ch, die Plattform des Bundes zur Förderung von Medienkompetenzen, bereit.