Auch mit Briefmarken wurde um 1960 für das Frauenstimmrecht gekämpft. (Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum)
Es brauchte hartnäckiges Engagement vieler Frauen, bis die Schweiz das Frauenstimmrecht einführte. Zum 50-Jahr-Jubiläum sind Unterrichtsmaterialien entstanden, die sich mit diesem Kapitel Zeitgeschichte auseinandersetzen.
Katharina Zenhäusern war die erste Schweizerin, die ihren Stimmzettel in eine Urne warf. Es war 1957 und die Abstimmung drehte sich um ein Zivildienstobligatorium für Frauen. Ihr Mann war Gemeindepräsident von Unterbäch im Kanton Wallis. Der dortige Gemeinderat fand es unlogisch, dass die betroffenen Frauen nicht abstimmen durften und erteilte den Unterbächnerinnen ein einmaliges Stimmrecht. Zwar erklärte der Bund die Stimmen der Unterbächnerinnen umgehend für ungültig, aber das mediale Echo blieb nicht aus, das Zeichen war gesetzt.
Zwei Jahre später, am 1. Februar 1959, hatten es die Schweizer Männer in der Hand, das Stimmrecht nun auch den Frauen zu ermöglichen. Doch zwei Drittel zeigten kein Gehör für Gleichstellung und lehnten das nationale Frauenstimmrecht ab. Die Frauenverbände erhöhten den Druck auf den Bundesrat und mobilisierten Jahr für Jahr am 1. Februar zum Frauenmarsch. Diese Geduld und Durchsetzungskraft führte am 7. Februar 1971 zur nächsten Abstimmung und zum Umschwung: 53 Jahre nach Deutschland, 52 Jahre nach Österreich, 27 Jahre nach Frankreich und 26 Jahre nach Italien verankerte auch die Schweiz das Frauenwahl- und Stimmrecht in der Verfassung. Nichts mehr als ein Menschenrecht.
Zeitgeschichte - Oral history
Was 2021 selbstverständlich ist – die Partizipation der Frau am politischen Diskurs – war drei Generationen zuvor ein No-Go. Diese Entwicklung lässt sich gut in einem Oral-History-Ansatz im Unterricht aufgreifen. Wie haben meine Grosseltern diesen Prozess erlebt? Wer hat heute politisch eine Stimme und wer nicht? Welche Schlüsse kann man aus dem Kampf um das Frauenstimmrecht für die heutige Zeit ziehen? Die PH Luzern hat dazu eine Broschüre erarbeitet, die sich in vier Aufgabensets gliedert (www.rb.gy/hgzg0i). Die Materialien richten sich an die Sekundarstufen I und II und lassen sich losgelöst voneinander einsetzen. Dabei beschäftigen sich die Jugendlichen auch mit der Frage, wer ihre eigenen Vorbilder sind. Ergänzend dazu bietet das Historische Museum Luzern bis Ende August die Sonderausstellung "50 Jahre Frauenstimmrecht" an (historischesmuseum.lu.ch). Auch das Historische Museum Bern richtet sich mit der bis im Juli laufenden Ausstellung «Frauen ins Bundeshaus! 50 Jahre Frauenstimmrecht»an Schulklassen. Die Ausstellung zeigt, wie die ersten eidgenössischen Politikerinnen den Politbetrieb erlebten. Zur Vor- und Nachbereitung steht ein Dossier zur Verfügung (bhm.ch).
Im Hinblick auf das Jubiläum stellt die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF ein Online-Lernmodul zur Verfügung. In Form von Einschätzungsfragen, Quiz, Bildern oder Archivvideos wird die Geschichte der Frauenrechte in der Schweiz dokumentiert. Die Lerneinheit porträtiert die Pionierinnen des Frauenstimmrechts und markiert die Meilensteine der Gleichstellung in der Schweiz bis heute. Wo immer möglich, spannt sie den Bogen von der Vergangenheit zu aktuellen Fragen: Der Kampf um Lohngleichheit, für faire Verteilung der unbezahlten Pflegearbeit, für mehr Frauen in Entscheidungspositionen ist noch nicht entschieden (lerneinheit-gleichstellung.ch).
Von der Frauenbewegung zur Geschlechterfrage
Als Frauenarchiv einen Namen gemacht hat sich die Gosteli-Stiftung, benannt nach der Frauenrechtlerin Marthe Gosteli. Die Stiftung hat vor zehn Jahren ein Themenheft zum Frauenstimmrecht entwickelt, das nun überarbeitet vorliegt. Die vier Kapitel sind in kleine Einheiten unterteilt, die man exemplarisch behandeln kann. Die Zusammenstellung besticht durch die historischen Quellen, in der Regel Texte aus der Feder der Frauen, die sich für ihre Rechte engagierten. Jede Einheit beginnt mit einer kurzen Einleitung (gosteli-foundation.ch).
Einen guten Einstieg ins Thema ermöglicht der Beitrag "Das Frauenstimmrecht" aus der Zeitreise-Serie von SRF mySchool. Der Film beleuchtet die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hintergründe der 60er- und 70er-Jahre und zeigt Zusammenhänge zur Frauenbewegung auf. Im laufenden Jubiläumsjahr finden schweizweit viele Veranstaltungen zur Frauenbewegung statt. Diese sammelt die Website ch2021.ch des gleichnamigen Vereins auf einer laufend aktualisierten Aktionslandkarte.
Doch was macht einen Menschen zur Frau, was zum Mann? Wenn es um die Frage des Geschlechts und der daraus abgeleiteten Bedeutung geht, können die Wogen schnell hochgehen. Was den einen nicht farbig genug sein kann, ist den anderen zu bunt. Das Stapferhaus Lenzburg hat im vergangenen Herbst die Ausstellung "Geschlecht" eröffnet. Bis zum 31. Oktober können Schulklassen in gewohnt facettenreicher und überraschender Manier in das Thema eintauchen und neue Seiten der Geschlechterdebatte entdecken (stapferhaus.ch).