Die Effinger Viert- bis Sechstklässler haben Erfahrung mit privaten Geräten im Unterricht. (Bild: Markus Wittwer)
Es ist ruhig geworden um das Thema “Bring your own Device”. Ist das Konzept bereits so selbstverständlich, dass es kaum mehr Diskussionen auslöst? Oder ist es im Schulalltag gar noch nicht angekommen?
Die Kantonsschule Zofingen machts es, die Berufsschule Wetzikon setzt darauf und auch an der Wirtschaftsmittelschule Zug ist es Alltag: Jugendliche arbeiten im Unterricht mit ihren privaten Laptops, Tablets oder Smartphones. Auf der Sekundarstufe II praktizieren viele Schulen “Bring your own device”. In der Volksschule hingegen scheinen BYOD-Projekte nach wie vor dünn gesät.
Beat Döbeli Honegger ist als Dozent für Medien und Informatik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz tätig und ein Verfechter von BYOD. Er leitet die wissenschaftliche Begleitung der Projektschulen Goldau und sek eins höfe. Seit 2013 läuft in Goldau ein BYOD-Projekt. Alle Kinder der 5. und 6. Klassen bringen persönliche Tablets oder Smartphones in den Unterricht mit. Wer über kein Gerät verfügt, erhält ein schuleigenes. In Goldau bewertet man die Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre positiv, für Lehrpersonen wie für Kinder ist ein Mehrwert sichtbar. Wieso strahlt BOYD nicht stärker auf andere Schulen aus?
“Es gibt mehrere Gründe für die schleppende Zunahme von BYOD-Projekten in der Volksschule”, sagt Döbeli Honegger. So höre er von Lehrpersonen, dass die Geräte aufwendiger zu verwalten seien als in einer homogenen Systemlandschaft. Und bei Schulleitungen spüre man administrative und juristische Bedenken. Diese Vorbehalte lassen sich aus Sicht von Beat Döbeli Honegger ausräumen, er plädiert für einen pragmatischen Umgang. “BYOD bedeutet anfänglich Zusatzaufwand, doch sobald sich der Einsatz der Geräte eingespielt hat, fallen die technischen und administrativen Belange nicht stärker ins Gewicht als bei schuleigenen Geräten.” Wichtig ist für Döbeli Honegger der mit BYOD stattfindende “Kulturwechsel”. “Es geht um die grundlegende Frage: Will man Schule und Privates strikt trennen oder dürfen private Geräte in der Schule eine Rolle spielen?” In der Projektschule Goldau sei die Durchmischung von Privatem und Schulischem durch die persönlichen Geräte eine bewusste Entscheidung. Wer primär das fachliche Lernen fördern wolle, fahre mit einheitlichen und schuleigenen Geräten vermutlich besser, verpasse aber Möglichkeiten, die alltägliche Medienkompetenz zu fördern.
Breite Verunsicherung hat ein Urteil des Bundesgerichts im vergangenen Dezember ausgelöst, das die Unentgeltlichkeit der Volksschule in aller Form verteidigt. Eltern finanziell anzuzapfen oder private Geräte für den Unterricht vorauszusetzen, dem schiebt das Urteil einen Riegel. Ist BYOD so überhaupt noch möglich? “Es kommt auf die konkreten Bedingungen an, aber ich halte BYOD auch nach diesem Urteil grundsätzlich für konform”, sagt Beat Döbeli Honegger. “Wenn Schulen private Geräte zulassen und zugleich auf Wunsch Geräte zur Verfügung stellen, scheint mir der Anspruch der Unentgeltlichkeit eingehalten.“
Während diese Frage Klärungsbedarf nach sich zieht, setzt sich aus bildungspolitischer Sicht zunehmend das Credo durch, dass Schulen künftig mit 1:1-Ausrüstungen arbeiten. Etliche Kantone richten ihre ICT-Empfehlungen darauf aus, Schulgemeinden bleiben nicht untätig. So rüstet die Stadt Zürich im Sommer alle Fünftklässler mit Tablets aus, sie schafft für 12,3 Millionen 7’000 Geräte an. Und selbst wenn es mit konkreten BYOD-Projekten harzt: Auf informeller Ebene bleibt die Projektschule Goldau stark nachgefragt. Regelmässig finden Besuche anderer Schulen statt, welche die Entwicklung interessiert verfolgen.
Effinger Projekt ausgezeichnet
Auf dem Weg von einer BYOD- hin zu einer schuleigenen 1:1-Umgebung ist die Mittelstufe der Schule Effingen. Markus Wittwer hat 2016 in seiner Klasse ein BYOD-Projekt lanciert und dafür den smart@media-Award der Kantone Aargau und Solothurn erhalten. Besonders die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Eltern wurde gelobt. Seit dem laufenden Schuljahr arbeitet Markus Wittwer überwiegend mit schuleigenen iPads. “Ich erachte den Betreuungsaufwand einer schuleigenen 1:1-Ausstattung als weniger anspruchsvoll”, erklärt er die Umstellung. “Die Zusammenarbeit in der Klasse gestaltet sich einfacher. Dazu kam, dass ich den ‘School Manager’ von Apple flächendeckend einsetzen wollte.”
Die Viert- bis Sechstklässler in Wittwers Klasse nutzen Lernumgebungen wie Profax online zum Üben und Individualisieren. Sie erstellen ein digitales Jahres-Portfolio mit eigenen Texten, Bildern oder Videos von Vorträgen. Sie üben Diktate in individuellem Tempo. Sie analysieren anhand von Videos ihre Fortschritte im Geräteturnen oder sie recherchieren im Internet. Insgesamt schätzt Wittwer den Einsatz der Geräte auf ca. 20% der Unterrichtszeit. “Ich sehe in einer 1:1-Ausstattung, ob BYOD oder nicht, nur Vorteile. Der Datenschutz lässt sich besser gewährleisten, da alle persönlichen Daten beim Kind bleiben. Und die Flexibilität der Unterrichtsgestaltung ist grösser”, sagt Markus Wittwer. Eine Mittelstufe, in der nicht jedes Kind ein persönliches Gerät hat, möchte er sich nicht mehr vorstellen.