Nachvollziehen, was mit meinen Daten geschieht: Diesen Anspruch will die EU mit dem «Digital Markets Act» stärken. (Bild: Creative Christians)
Die EU hat sich auf neue Digitalgesetze geeinigt. Diese wirken Datenmonopolen und Desinformation entgegen.
Wenn Tim Berners Lee, der Begründer des Internets, auf die aktuelle Entwicklung seines "Kindes" angesprochen wird, macht er keinen glücklichen Eindruck. Er hat ein anderes Internet vor Augen. Eines, das Nutzerinnen und Nutzer ihre Daten selber verwalten lässt. Eines, das nicht von wenigen Unternehmen dominiert wird. Mit der Stiftung "Web Foundation" setzt er sich dafür ein, dass sich Firmen und Regierungen zu einem offenen Internetzugang für alle, zu einem respektvollen Umgang und zu Datenschutz verpflichten.
Doch die Realität sieht anders aus: Dominiert wird die Online-Welt von den AMAMA-Riesen: Alphabet (ehemals Google), Meta (ehemals Facebook), Amazon, Microsoft und Apple. Diese "Big-Five" stellen Hardware, Plattformen und Dienstleistungen zur Verfügung. Und sie verdienen Geld mit dem Erstellen und Analysieren von Nutzerprofilen und mit personalisierter Werbung.
Europäischer Gegenwind
Seit Jahren kämpft die Europäische Union gegen die Ausschlachtung von Nutzerdaten und für stärkeren Datenschutz. Nun könnten ihr gleich zwei Meilensteine gelingen. Mit dem Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) und dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) liegen seit Ende April zwei Pakete vor, welche das Europaparlament und die Mitgliedstaaten formell noch bestätigen müssen (bit.ly/3mwBAis).
Das Gesetz über digitale Märkte will die Marktmacht der Tech-Giganten einschränken. Dazu gehört, dass sie eigene Produkte nicht mehr bevorzugt behandeln dürfen. Nutzerinnen und Nutzer sollen vorinstallierte Apps einfacher löschen und Standardeinstellungen einfacher anpassen können. Und grosse Unternehmen dürfen Nutzerdaten aus unterschiedlichen Quellen nur noch nach ausdrücklicher Einwilligung zusammenführen. Das betrifft beispielsweise Facebook mit den Tochterfirmen Instagram und Whatsapp.
Was empfiehlt mir Google?
Mit dem Gesetz über digitale Dienste wiederum setzt die EU Onlineplattformen unter strengere Aufsicht. Illegale Inhalte wie Hassrede müssen schneller aus dem Netz entfernt, Desinformation und Kriegspropaganda sollen weniger geteilt werden können. Das Prinzip lautet: Was offline illegal ist, ist es auch online.
Darüber hinaus verpflichten sich Plattformen, wichtige Kriterien ihrer Empfehlungsalgorithmen offenzulegen. Diese entscheiden darüber, welche Nachrichten, Videos oder Produkte sie den Nutzerinnen und Nutzern anzeigen. Ebenfalls einschränken will der Digital Services Act personalisierte Werbung. Sensible Daten wie religiöse Überzeugungen, sexuelle Vorlieben oder politische Ansichten dürfen nur noch begrenzt analysiert werden. Und Minderjährige sollen gar keine personalisierte Werbung mehr erhalten. Damit stärkt die EU den Kinder- und Jugendschutz. Sämtliche Neuerungen dürften ab dem 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Was die aktuelle Debatte verdeutlicht: Diskussionen zur Marktmacht von Big-Tech-Firmen sind charakteristisch für Europa, anderswo finden diese nur leise oder gar nicht statt.
Folgen für die Schule
Klar ist: Die beiden Gesetzespakete werden spürbare Änderungen nach sich ziehen. Auch hierzulande, da internationale IT-Konzerne Europa und die Schweiz oft als einen Markt behandeln.
Ein sensibler und transparenter Umgang mit Nutzerdaten, ein stärkeres Hinsehen bei Diskriminierung, Hass oder Fake News im Netz wirken sich auf die Medienkompetenz und die Medienbildung aus. Die nationale Plattform jugendundmedien.ch nimmt sich diesen Themen an und arbeitet sie in Schwerpunkten auf (jugendundmedien.ch). Dabei will sie Eltern und Lehrpersonen unterstützen, den Medienalltag der Kinder und Jugendlichen aktiv zu begleiten.