Was ist ein MOOC und welche Lernprozesse eröffnet er? (Bild: https://www.flickr.com/photos/gforsythe)
Angetrieben von amerikanischen Universitäten sind Massive Open Online Courses daran, in der Hochschullandschaft Fuss zu fassen. Ist das blosser Hype oder revolutionieren MOOCs die Lehre?
Die einen bezeichnen sie als “die interessanteste Entwicklung der letzten Jahre im Internet”, andere sprechen von “Bildungskolonialismus und Hype”. Die Meinungen sind geteilt, wenn von MOOCs die Rede ist. 2008 tauchte der Begriff erstmals auf, als die kanadischen Lernforscher Stephen Downes und George Siemens im Internet einen Kurs zum Konnektivsmus durchführten. Weltweit verfolgten 500 Personen das mehrwöchige Angebot, geboren war der erste “Massive Open Online Course” (MOOC). Dieser hallte vor allem in amerikanischen Universitäten nach. Die Idee, Lehrveranstaltungen online so zu konzipieren, dass eine weltweite, zeitlich unabhängige Teilnahme möglich wird, tönte verlockend. 2011 löste der Informatikprofessor Sebastian Thrun die grosse Welle aus. Zu seinem Online-Seminar an der Uni Stanford über künstliche Intelligenz meldeten sich 160’000 Studenten aus 190 Ländern an. Thrun war darob so begeistert, dass er nach Ablauf des Seminars seinen Lehrstuhl aufgab und die Firma Udacity gründete, die ausschliesslich auf MOOCs setzt.
Es ist charakteristisch für einen MOOC, dass die Lerninhalte für jedermann kostenlos online zugänglich sind.
In aller Regel handelt es sich - analog zu einer klassischen Vorlesung - um eine Serie von mehr oder weniger aufwändig produzierte Videoclips, in denen Wissenschaftler ihre Erkenntnisse erklären, diese mit Grafiken oder Animationen anreichern und Hausaufgaben sowie quizartige Übungen anbieten. Darüber hinaus können Teilnehmer sich in Arbeitsgruppen austauschen oder online mit Tutoren diskutieren. Wird ein MOOC von einem Professor, einem Dozenten geleitet, spricht man von einem xMOOC (“x” steht für extension). Dabei kommt typischerweise das Prinzip des “flipped classroom” zum Zug: Der Dozent filmt seine Unterrichtsstunden ab und stellt die Videos ins Netz. Die Studenten können sich diese zu Hause ansehen und nutzen die gemeinsame Online-Zeit dann für intensive Arbeit an Aufgaben oder Diskussionen.
Neben den xMOOCs gibt es die cMOOCs (“c” für connected), die sich ganz der Lerntheorie des Konnektivsimus verschreiben. Auch diese bestehen aus Videos und bieten Lernmaterial an, verzichten aber auf einen vorgegebenen Ablauf. Es liegt an den Teilnehmern, den Inhalt zu strukturieren und eigene Beiträge zu verfassen, um damit eine Vernetzung zwischen Lernenden und Thema zu erreichen.
Hohe Abbrecherquoten
Bei Sebastian Thruns xMOOC zur künstlichen Intelligenz schafften 23’000 Studenten die Schlussprüfung, was einer Quote von 14 Prozent entspricht. Und hier manifestieren sich die aktuellen Schwächen von MOOCs: Erstens liegt die Abbrecherquote in allen bekannten Formaten hoch. Die Motivation, über mehrere Wochen ausschliesslich vor dem Bildschirm an einem Thema dranzubleiben, bricht nach anfänglicher Euphorie oft ein. Und zweitens gab es bis anhin für einen erfolgreichen Abschluss kein offizielles Testat oder ECTS-Punkte. Doch zumindest in dieser Frage bahnt sich eine Veränderung an. Udacity bietet seit Januar 2014 einen Onlinestudiengang des Georgia Institute of Technology an, der einen offiziellen Hochschulabschluss in Informatik verspricht. Der Kurs ist kostenlos, für das Diplom fallen 6’600 Dollar an. Im Vergleich zu den normalem Studiengebühren von 45’000 Dollar ein Klacks. Und auf der deutschen MOOC-Plattform iversity vergibt die FH Lübeck für ihre Kurse seit Herbst 2013 ECTS-Punkte, wenn man am Schluss ein Präsenzexamen besteht (www.iversity.de).
Wer sich durch die Kataloge der drei grössten MOOC-Anbieter klickt, stellt fest, dass Kurse zu technischen Fächern in der Überzahl sind, bei Udacity allen voran Informatik (www.udacity.com). Edx ist hier bereits etwas offener und verfügt auch über Kurse zu Life Sciences (www.edx.org), während Coursera (www.coursera.org) das ganze Spektrum der Wissenschaft abdeckt und beispielsweise 77 Kurse zu “Education” oder 94 zu “Social Sciences” anbietet. Allen Angeboten auf Edx, Udacity und Coursera ist gemein, dass sie grösstenteils in Englisch vorliegen. In der Schweiz hat sich die EPFL Lausanne vom MOOC-Fieber anstecken lassen, sie stellt auf Coursera 15 Kurse zur Verfügung. Um die gesamte MOOC-Landschaft überblicken zu können, helfen spezielle Suchmaschinen wie www.class-central.com oder www.mooctivity.com.
So humanistisch die Verbreitung von kostenlosen Bildungsangeboten ist, die beteiligten Universitäten hegen mit ihren MOOCs durchaus ökonomische Ziele. Es geht um Prestige, Imagebildung, Wachstum, und nicht zuletzt um Big Data: Beim Lesen und Lernen mit digitalen Medien lassen sich sämtliche Aktivitäten speichern und zu Lernprofilen zusammenfügen. Wer aus diesen Informationen die richtigen Schlüsse zieht, kann seine Angebote verbessern und erfolgreicher positionieren. Man darf gespannt sein, ob und wie diese Entwicklung die Hochschullehre, und damit die Bildung, verändern wird.