Schulwebsites: Der Preis der Offenheit

15. November 2009

 

Exemplarisch für Hunderte von Schweizer Schulwebsites: So präsentiert sich die Schulgemeinde Urnäsch im Internet.

Eine Schule ansprechend repräsentieren und dabei den Persönlichkeitsschutz der Beteiligten wahren: In diesem Spannungsfeld bewegen sich offizielle Schulwebsites. Während dieser Spagat gut gelingt, gehen Jugendliche mit ihren persönlichen Daten im Web deutlich weniger sorgfältig um.

Wer in den vergangenen Jahren regelmässig Websites von Schulen in der Schweiz besucht hat, konnte beobachten, dass die Auftritte nüchterner, zurückhaltender geworden sind. Die nicht selten in Eigenregie entstandenen Internetpräsenzen der ersten Generation sind professionellen Umsetzungen gewichen. Wo einst lebhafte Bilder das Unterrichtsgeschehen dokumentierten und Lehrpersonen sich mit persönlichem Foto vorstellten, herrscht heute knapper, informativer Text vor. Grossen Anteil an dieser Entwicklung trägt die veränderte Wahrnehmung des Persönlichkeitsschutzes im Internet. Galt es vor zehn Jahren als schick, im Internet Persönliches wie Ferienfotos, sein Haustier oder seine Hobbys zu dokumentieren, so wird heute vorsichtiger agiert; im Wissen darum, dass einmal veröffentlichte Daten im Web missbraucht werden können. Sei es in der harmlosen Fassung, indem das Bild des eigenen Schäferhundes plötzlich auf einer anderen Website auftaucht, sei es in gravierendem Ausmass, indem persönliche Daten von Dritten „übernommen“ und weiterverkauft werden – mit der Folge, dass man sich vor Werbezusendungen und Spam-Mails kaum mehr retten kann.

Um dem Persönlichkeitsschutz auf Schulwebsites zu definieren, haben viele Kantone Richtlinien erlassen, an denen sich Schulen orientieren. Der Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich formuliert auf www.datenschutz.ch: „Schulen sollen auf ihren Websites die personenbezogenen Angaben von Schülerinnen und Schülern, aber auch weitere Personendaten sehr zurückhaltend veröffentlichen.“ Konkret: Keine Personendaten von Schülerinnen und Schüler, allenfalls Klassenlisten mit Vorname, Fotos ohne Nennung des ganzen Namens. Und: „Primarschulen sollen grundsätzlich davon absehen, auch nur die Vornamen von Schülerinnen und Schülern oder sogar weitere Personendaten auf ihrer Website zu veröffentlichen, selbst wenn die Zustimmung der Berechtigten vorliegt.“ Dies deshalb, weil Kinder falsches Vertrauen zu fremden Personen fassten, wenn sie von diesen mit dem Vornamen angesprochen würden. Bei Lehrpersonen genüge es, die Funktion, sowie Vor- und Nachnamen zu erwähnen. Fotos und weitere personalisierte Angaben seien nicht nötig.

Viele andere Kantone kennen ähnliche Empfehlungen oder Weisungen. Und eine nicht repräsentative Tour d’Horizon durch 20 Websites von Deutschschweizer Volksschulen zeigt, dass diese angekommen sind und vornehmlich eingehalten werden. So zum Beispiel auf www.schulen-urnaesch.ch, dem Schulauftritt der grössten Gemeinde des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Übersichtlich konzipiert, enthält diese Website sämtlichen zentralen Informationen zur Schule, ohne dabei den Schulalltag aussen vor zu lassen. Personalisierte Bilder von Lernenden sind keine vorhanden, dafür Stimmungsbilder von speziellen Anlässen oder Klassenfotos der Oberstufenklassen. Lehrpersonen sowie Schulkommissionsmitglieder werden auf Gruppenbildern mit Namen vorgestellt. «Wir bekommen von Eltern durchwegs gute Rückmeldungen zu unserem Internetauftritt», sagt der verantwortliche Schulleiter Martin Wehrle. «Die Publikation der Bilder ist mit den Lehrpersonen abgesprochen und wird von allen geschätzt.» Es sei ihm wichtig, von der Schule und den dort tätigen Personen einen Eindruck zu vermitteln, der Nähe schaffe und nicht anonym wirke. «Was aber nicht heisst, dass wir den Daten- oder Persönlichkeitsschutz untergraben. Auf E-Mail-Adressen oder direkte Kontaktangaben zu Lehrpersonen verzichten wir bewusst. Und personalisierte Schülerdaten veröffentlichen wir keine, diese werden selbst im schulinternen Intranet äusserst diskret behandelt», so Martin Wehrle.

„Lehrer sind 'Anchor-people'“

Mit diversen Internetauftritten von Schulen betraut ist die Zürcher Internetagentur Innovative Web (www.i-web.ch). Sie hat bisher 61 Schulen mit ihrem Content Management System „SchulenWeb“ zu einer neuen Website verholfen. Wie handhabt Innovative Web die Weisungen zum  Persönlichkeitsschutz? Lorenz Ilg, Jurist und Mitgründer von Innovative Web, erklärt: „Streng juristisch gesehen gehören keine Personendaten von Schülerinnen und Schüler auf eine Schulwebsite. Klassenfotos alleine stellen – selbst mit Nennung des Vornamens – pragmatisch betrachtet kein Problem dar, wohl aber mit vollständigem Vor- und Nachnamen.“ Und für spezielle Schulanlässe garantiere die Meinungsäusserungsfreiheit grundsätzlich das Recht, dazu passende Bilder zu publizieren. Seine Agentur rate jedoch, bei Bildern, die ein Kind oder einen Jugendlichen prominent zeigten, das Einverständnis der Eltern einzuholen und solche Bilder auf eine Reklamation hin sofort vom Netz zu nehmen.

Immer wieder zu Diskussionen führt die Frage, ob sich Schulpflegemitglieder oder Lehrpersonen mit Bild präsentieren sollen. Auch hier wünscht sich Lorenz Ilg einen pragmatischen Ansatz: „Schulpfleger präsentieren sich für die Wahlen in Lokalblättern und an Plakatwänden, wieso sollten sie dasselbe nicht auf der Homepage tun? Und Lehrer sind Aushängeschilder und 'Anchor-people' für die Schule, deswegen sollten sie mit Foto auf dem Internetauftritt der Schule erscheinen.“ Klar sei aber: Sträube sich eine Lehrperson oder ein Schulpflegemitglied gegen eine Veröffentlichung mit Bild, so sei davon abzusehen.

Lorenz Ilg gibt zu bedenken, dass sich im Zuge von Web 2.0 eine neue Sphäre zwischen das private und das öffentliche Leben geschoben habe. „Auf Social Networks wie Netlog oder Facebook stellen sich Schülerinnen und Schüler oft sehr ausführlich dar und erschaffen sich eine virtuelle Identität. Dort persönliche Bilder zu veröffentlichen ist rechtlich gesehen in Ordnung, wenn der Inhaber dies selber macht. Gleichzeitig wird aber gerne vergessen, dass diese Daten durch das Akzeptieren der Nutzungsbedingungen auch weiterverwendet werden dürfen.“ Konsequenterweise müssten Eltern auch hier bei Verletzung des Persönlichkeitsschutzes ihrer Kinder aktiv werden, was in der Realität aber nicht passiere, sagt Lorenz Ilg.

Fokus auf Jugendliche

Dem Problem, dass Jugendliche ihrerseits zu unbedacht mit persönlichen Daten umgehen, nehmen sich viele Initiativen und Ratgeber-Websites an. Mit den Portalen www.sicherheit-macht-schule.de und www.security4kids.ch thematisiert Microsoft dem sicheren Umgang mit dem Internet und bietet neben grundlegenden Informationen auch eine Reihe von Unterrichtsideen für die Primar- wie die Oberstufe. Aktuell läuft auf security4kids.ch ein Fotostory-Wettbewerb, der Klassen animiert, sich mit sicherem Surfen auseinanderzusetzen. Umfassend auf die Mediennutzung Jugendlicher ausgerichtet ist www.jugendschutz.net. Hier werden Eltern darüber informiert, wie sie den Computer und den Internetzugang für Kinder sicherer einrichten können, und Lehrpersonen finden Unterrichtseinheiten zum Chatten oder zu Cyberbulling, der digitalen Version von Mobbing.

Als Einstieg in das Thema ist das Dossier „Sicherheit im Internet“ auf educa.ch gut geeignet. Die ausführliche Linksammlung verschafft einen Überblick über Themen und Angebote. Der kompetenten Internetnutzung widmet auch der Zentralschweizer Bildungsserver eine Themenseite (www.bit.ly/Uy2NQ), der Schwerpunkt liegt hier auf Hinweisen zum Chatten. Mit der Kampagne www.schaugenau.ch rückt die Stadt Zürich die virtuellen Spielplätze der Kinder und Jugendlichen ins Zentrum. Begleitet von Workshops und Infobroschüren informiert schaugenau.ch Eltern und Jugendliche über Risiken im Netz, insbesondere mit Blick auf Social Networks und Chatten.

Die ungemütlichen Vision des gläsernen Menschen, die letztlich durch die vernetze Mediennutzung von Handy und Computer, aber auch durch Videoüberwachung im öffentlichen Raum entsteht, zeigt eine Flash-Animation auf www.panopti.com.onreact.com. Darin wird deutlich, dass der unbedarfte Umgang Jugendlicher mit dem Handy oder im Internet unkontrollierbare Folgen hat.