Schüler der Oberstufe Studen bei ihrer Arbeit an “Regeln im Krieg” auf abenteuerroteskreuz.ch. (Bild: Roland Blattner)
Das Schweizerische Rote Kreuz will das Verständnis für Flucht und Migration stärken und in der Schule verankern.
Zindan wächst mit seiner Familie in Syrien auf einem Bauernhof auf. 2013 erreicht der Bürgerkrieg sein Dorf, die Schule wird geschlossen. Sein Vater will, dass Zindan die Schule beenden und sich eine bessere Zukunft aufbauen kann. Deshalb ermöglicht er ihm die Flucht. Doch als Kurde kann sich sein Sohn nicht einfach in die Türkei absetzen. Es beginnt eine langwierige und ungewisse Reise von Syrien über die Türkei und den Balkan nach Zürich, wo Zindan seit 2014 in einem Asylzentrum lebt. Heute ist er 17 Jahre alt. Sein Wunsch ist es, Maler zu werden. Sollte es die Lage in Syrien erlauben, möchte er wieder nach Hause zurückkehren.
Zindans Geschichte ist Teil des Dossiers “Regeln im Krieg” des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK). Zu seinem 150-jährigen Jubiläum hat das SRK im Sommer 2016 das Schulportal abenteuerroteskreuz.ch lanciert, um seine humanitäre Arbeit für Schülerinnen und Schüler aufzubereiten. Ausgerichtet auf die Sekundarstufen I und II, greift das Portal in vier Rubriken die Kernthemen der Hilfsorganisation auf: Regeln im Krieg, Weltweit, Stark im Konflikt und Leben retten. Im einleitenden Parcours zu “Regeln im Krieg” müssen die Jugendlichen aus einem Kriegsgebiet flüchten. Das begleitende Unterrichtsmaterial hilft ihnen, ihre Eindrücke zu dokumentieren und anhand der Geschichten von Zindan und von weiteren Flüchtlingen zu vertiefen. Je nach Schwerpunkt lässt sich das Dossier “Regeln im Krieg” in zwei bis sechs Lektionen im Unterricht aufnehmen.
Ein nächster Schwerpunkt geplant
Für Ursina Remund ist das eine der Stärken von abenteuerroteskreuz.ch: “Die Jugendlichen werden in ihrer Lebenswelt abgeholt und zum Handeln bewegt.” Remund arbeitet als Oberstufenlehrerin im bernischen Studen und ist zugleich in einem 20%-Pensum für das SRK tätig. Sie verantwortet das Unterrichtsangebot und entwickelt dieses mit. “Vor der Veröffentlichung im März 2016 haben wir ‘Regeln im Krieg’ in einer Klasse in Studen eingesetzt. Dabei zeigte sich, dass die begleitenden Unterrichtsmaterialien viel Spielraum offen lassen und wertvolle Inputs liefern.” Und abenteuerroteskreuz.ch stösst auf Interesse, seit dem Start verzeichnet das Portal über 40’000 Zugriffe. Am beliebtesten: der Schwerpunkt “Regeln im Krieg”. Aktuell evaluiert Ursina Remund den Auftritt mit Lehrerinnen und Lehrern, denn es ist geplant, die Inhalte auszubauen. “Unsere Absicht ist es, einen fünften Schwerpunkt für den Bereich Migration mit Fokus auf Libanon und die Schweiz aufzunehmen”, sagt Remund.
Neben den Angeboten auf abenteuerroteskreuz.ch können Lehrpersonen Fachleute des SRK ins Schulzimmer einladen. Die Schulbesuche sind für alle Schulstufen geeignet, die Kosten hängen vom Aufwand ab. Wollen sich Jugendliche in ihrer Freizeit in der humanitären Hilfe engagieren, steht in vielen Kantonen das Jugendrotkreuz offen. In St. Gallen beispielsweise organisieren Jugendliche gemeinsam mit Migrantinnen und Migranten Kochabende.
Viele Inputs für den Unterricht
Schätzungen zufolge sind weltweit über 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Selbst wenn die mediale Berichterstattung aktuell nicht von Schlagworten wie Flüchtlingskrise oder Asylchaos dominiert ist, gehören Flucht und Migration zu zentralen Themen für die Schule. Den besten Überblick über unterrichtsrelevante Tipps und Materialien vermittelt das Ideenset “Flucht und Asyl” der PH Bern. Zu finden ist dort beispielsweise eine Unterrichtseinheit, in welcher Jugendliche unterschiedliche Auffassungen und Definitionen von Integration kennen lernen und mit ihrer Position vergleichen. Eine andere Einheit geht anhand von Filmen über Kindersoldaten in Liberia und der Demokratischen Republik Kongo darauf ein, was auf sich alleine gestellte Kinder auf der Flucht erleben. Wie der Alltag in einem Flüchtlingscamp organisiert ist, illustriert die Website „Ein Tag in einem Flüchtlingslager". Fotos und Videos vermitteln einen realen Eindruck in ein Camp, angefangen bei der Registrierung bis zur Berufsförderung oder einer sportlichen Einheit in der Gruppe. Das Ideenset “Flucht und Asyl” will nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch interkulturelle Kompetenzen fördern. Diesen Anspruch vermögen die breitgefächerten Inputs zu erfüllen.