Damit die Lehrstelle nicht zur Leerstelle wird

1. Juli 2020
Damit die Lehrstelle nicht zur Leerstelle wird

Fachmann Betreuung in einer Kita: Das Projekt «MyTopJob» porträtiert Jugendliche, die Geschlechterstereotypen hinterfragen. (Foto: mytopjob.ch)

Die Coronakrise hat die Lehrstellensuche in einer entscheidenden Phase ausser Kraft gesetzt. Diese Lücke lässt sich nur bedingt mit Online-Angeboten kompensieren. Doch ohne das Internet ist der Berufswahlprozess heute nicht mehr denkbar.

Knapp 48'000 Lehrverträge sind per Ende Mai 2020 gesamtschweizerisch unterzeichnet worden. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Rückgang von 4 Prozent. Dennoch zeichnen die Trendmeldungen der Deutschschweizer Kantone eine stabile Situation. Und in vielen Kantonen gibt es nach wie vor mehr freie Lehrstellen als Lehrstellensuchende. So sind in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt aktuell 641 Lehrstellen unbesetzt. Im Kanton St. Gallen sind es 1185. Das Problem: In den beliebten Branchen hat es zu wenig Lehrstellen, während handwerkliche oder technische Berufsfelder auf zu wenig Interesse stossen.

Beliebte Berufsbilder

Um Stärken und Schwächen und persönliche Interessen mit Berufsprofilen zu vergleichen, stehen Online-Instrumente zur Verfügung. Das Bekannteste bietet berufsberatung.ch mit dem digitalen Portfolio “myBerufswahl” an (myberufswahl.ch). Jugendliche können ein Konto anlegen und ihre Berufserkundungen in sieben Schritten sammeln und verfeinern. Als Bonus erhalten sie Tipps für ihre Lehrstellensuche. Auch Eltern steht “myBerufswahl” offen, sie können sich einen regelmässigen Newsletter der kantonalen Berufsberatung zusenden lassen. Und Lehrpersonen können auf weiterführende Materialien für den Berufswahlunterricht zugreifen. Das offizielle Informationsportal der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung führt im Lehrstellennachweis LENA zudem die aktuellste Liste der offenen Lehrstellen.

Ein bewährtes Mittel zur persönlichen Orientierung ist der Interessenkompass aus dem “Berufswahltagebuch” des Schulverlag plus. Der Kompass lässt sich online auf feel-ok.ch aufrufen und führt mithilfe eines überschaubaren Fragebogens zu Aussagen, welche Berufsfelder man konkret weiterverfolgen sollte. Neben dem Interessenkompass listet feel-ok.ch nützliche Tipps rund um die Berufswahl auf, beispielsweise wie man eine Lehrstelle sucht, übersetzt in 14 verschiedenen Sprachen. Das ist hilfreich, um die Eltern fremdsprachiger Kinder miteinzubeziehen (bit.ly/3hxNFQr).

Viele Internetauftritte, die sich mit der Berufswahl beschäftigen, verweisen auf die über 120 Berufsbilder von SRF mySchool. Lernende führen in viertelstündigen Filmen durch den Berufsalltag und vermitteln einen realistischen Einblick in ihre Tätigkeiten (srf.ch/myschool). Zu jedem Berufsbild bestehen Arbeitsblätter mit Lösungen. Wer sich nicht sicher ist, welcher Beruf für eine Schnupperlehre in Frage kommt, findet hier alltagsnahe Antworten.

Stereotypen reflektieren

Typische Männerberufe, typische Frauenberufe: Sich der Berufswahl ohne Klischees zu nähern, ist nicht einfach. Der Maurer bleibt ein Maurer, die Kosmetikerin eine Kosmetikerin – in den Köpfen der meisten Erwachsenen und Jugendlichen. Hier gibt MyTopJob Gegensteuer und räumt mit vorgefertigten Rollenbildern auf (mytopjob.ch). Eine Sanitärinstallateurin, ein Fachmann Betreuung (Kinderbetreuung) oder eine Landwirtin erläutern die Gründe für ihre Berufswahl. Eine ähnliche Absicht verfolgt das Dossier “Jonglieren mit der Berufswahl” der PH Bern. Es enthält Unterlagen für den zweiten und dritten Zyklus und legt den Schwerpunkt auf eine geschlechterneutrale Berufswahl (bit.ly/30QPdPX).

Jugendlichen die Stereotypen der Berufswahl vor Augen führen will auch das Online-Spiel "like2be". Darin schlüpfen Jugendliche in die Rolle eines Berufscoaches und müssen für Spielfiguren eine optimale Lehrstelle suchen – dies in möglichst kurzer Zeit. Die Spieloberfläche zeigt ein Büro mit Schreibtisch, einem Computer und einem Stapel Dossiers. Auf dem Bildschirm sind Lehrstellen- und Stellenangebote aufgeführt. Mit Klick auf ein Dossier öffnet sich dieses und eine Person betritt das Büro. Die Jugendlichen erfahren mehr über die Ausbildungssituation, die Fähigkeiten und die Wünsche und müssen passende Lehrstellen oder Stellen vorschlagen. Der Spielerfolg misst sich an der Anzahl vermittelter Personen. Ist eine Spielfigur unzufrieden, kehrt sie zurück und die Beratung geht in die nächste Runde. Das Spiel thematisiert besonders die Geschlechterfrage. Durch die wechselnden Stellenangebote erweitern die Jugendlichen zugleich ihre Berufskenntnisse und konkretisieren Berufswünsche. Ergänzt wird das Online-Spiel durch Kartensets, die kostenlos verfügbar sind (like2be.ch).

2007.pdf (135.14 KB)

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