Das Projekt villevivante.ch visualisiert Mobilfunkverbindungen, die in der Stadt Genf während einer Woche stattfinden.
Wettermessungen, historische Dokumente, ein Verzeichnis der Schweizer Literatur: Das Projekt “Open Government Data” des Bundes will aufzeigen, wie offene Daten zu Goldgruben werden.
Wer heute eine Reise in eine fremde Stadt plant, bereitet den Weg von Museum zu Museum, von Shopping-Meile zum Erholungspark bequem am Bildschirm vor. Anbieter wie OpenRouteService oder GoogleMaps kombinieren Geodaten mit weiteren Informationen und erleichtern unseren Reisealltag. Hintergrund dieser Entwicklung ist eine internationale Bewegung, die sich für Open Data, für offene Daten einsetzt.
Gemäss Definition der “Open Knowledge Foundation”, einer 2004 in Grossbritannien gegründeten Stiftung, handelt es sich dabei um “Daten, die von jedermann frei verwendet, nachgenutzt und verbreitet werden können - maximal eingeschränkt durch die Pflicht zur Quellennennung”. Die Open-Data-Bewegung zielt dabei nicht auf persönliche Daten ab, vielmehr sind es Informationen aus Wissenschaft, Kultur, Statistik, Umwelt oder Transport, die man neu verknüpfen und nutzen will (www.okfn.de/opendata). Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen offenen Daten und Daten, die einfach öffentlich zugänglich sind. Erst wenn Datensätze in einem maschinenlesbaren Format vorliegen, lassen sie sich analysieren und vergleichen. Wer auf einer Website ein PDF publiziert, schafft keine offenen Daten, da die Weiterverwendbarkeit bei diesem Dokumentenformat eingeschränkt ist. Bei komplexen und grossen Datenbeständen garantieren beispielsweise Formate wie JSON oder XML eine offene Nutzung.
Amerikanische oder britische Behörden stellen seit einigen Jahren offene Daten bereit, auch Brasilien setzt auf Open Data, andere Länder sind diesbezüglich zurückhaltender. Vor zwei Monaten nun hat die Schweizer Bundesverwaltung ein Pilotportal für “Open Government Data” (OGD) lanciert. Unter der Führung des Bundesarchivs soll eine Sammlung von frei verfügbaren Behördendaten entstehen (www.opendata.admin.ch). Daran beteiligt sind das Bundesarchiv, das Bundesamt für Statistik, das Bundesamt für Landestopographie swisstopo, das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz sowie die Nationalbibliothek. Aktuell liegen über 1600 Datensätze vor. Diese versetzen niemanden ins Staunen, handelt es sich hierbei in der Regel um nackte Zahlenreihen. Spannend wird es erst, wenn man diese Daten verknüpft und visuell aufbereitet. Auf dem Pilotportal sind einige Anwendungsbeispiele zu finden: Der politische Atlas der Schweiz, der detailliert über das Wahlverhalten informiert. Die Meteo-App “Schweizer Wetterdaten 1864-2013”, welche die Wetterverhältnisse der vergangenen 150 Jahre nachzeichnet. Oder die App “Regionalprofil”, die statistische Werte von Gemeinden und Kantonen miteinander vergleicht.
Als erster Kanton steuert Zürich Daten zum Pilotportal bei. Weitere Datenlieferanten sollen folgen. Nicht nur Kantone und Bundesstellen, auch Gemeinden können sich beteiligen. Über Erfahrung mit Open Data verfügt die Stadt Zürich, die eigens dazu ein Portal betreibt: www.stadt-zuerich.ch/opendata. Wer wissen möchte, wohin die Leute in Zürich am liebsten hinziehen, wie sich das Budget der Stadt auf einzelne Lebensbereiche verteilt, welche Quartiere mit welche Vorzügen auftrumpfen (Quartierquartett), kann entsprechende Apps herunterladen. Für Aufsehen gesorgt hat Anfang Oktober die Schweizer Unfallkarte, die Daten des Bundesamts für Strasse visualisiert (www.unfallkarte.ch). Über 108’000 von der Polizei registrierte Unfälle lassen sich auf dieser Karte aufrufen. Auf einen Blick ist ersichtlich, wo es 2011 und 2012 am meisten Unfällen gab und ob Velofahrer, Fussgänger, Autos oder Lastwagen involviert waren. Die Karte entstand in einer Zusammenarbeit zwischen dem Verlagshaus Tamedia und der Universität Zürich. Aus optischer Sicht faszinierend kommt die Stadt Genf auf villevivante.ch daher. Für dieses Projekt hat die Swisscom 14 Millionen Mobilfunkverbindungen einer Woche anonymisiert und zur Verfügung gestellt. Diese wurden auf eine Karte übertragen und zu Bewegungsprofilen animiert.
Diese Beispiele verdeutlichen: Visualisierungen und Anwendungen für offene Daten liegen im Trend. Experten machen eine Goldgräberstimmung aus, wie sie Ende der neunziger Jahre schon das Internet der ersten Generation hervorgerufen hatte. Der Bund verspricht sich durch sein Pilotportal einen Schub für den IT-Standort Schweiz, hält aber zugleich fest: Man veröffentlicht keine Daten, die es ermöglichen, Persönlichkeitsprofile zu erstellen, beispielsweise über Verursacher von Verkehrsunfällen oder Bezüger von Sozialleistungen. Das OGD-Portal wird nun bis März getestet, danach zieht das Bundesarchiv Rückschlüsse für eine Weiterführung.