Jörg Berkel zeigte in seinem Workshop an den Open Education Days, wie man mit Schülerinnen und Schülern offene Daten bearbeiten kann. (Bild: zVg)
Mit Schülerinnen und Schülern Daten recherchieren, analysieren und visualisieren: Am Open Education Day zeigte sich, wie man im Unterricht auf diesen Prozess eingehen kann.
Wie sah die Schule meines Wohnorts vor 200 Jahren aus? Welche Schulhäuser bestanden bereits? Antworten auf diese Fragen liefert die Stapfer-Enquête, eine für die Schweiz bemerkenswerte Umfrage zur Schulsituation aus dem Jahr 1799. Der damalige Erziehungsminister Philipp Albert Stapfer liess die Lehrer und (wenigen) Lehrerinnen 60 Fragen beantworten. Es ging um die lokalen Verhältnisse, um den Unterricht sowie um die personellen und ökonomischen Umstände. Die rund 2’400 handschriftlichen Antwortbögen liegen im Schweizerischen Bundesarchiv auf. Seit 2015 sind die Daten online zugänglich. Und das nicht nur in Form von Bild- und Textquellen, sondern als Tabellen, die man weiterbearbeiten und nach Belieben darstellen kann (stapferenquete.ch).
Im historischen Kontext fördert die Umfrage spannende Aspekte zutage. So lässt sich belegen, dass vielerorts der ansässige Pfarrer oder Kaplan zugleich Dorflehrer war. In Immensee besetzte Anton Ulrich diese beiden Ämter und unterrichtete 40 Kinder. Seinen Stundenplan beschrieb er wie folgt: “Schuhl wird gehalten 4. Monat, im Winter. Vor, und nach Mittag zwey Stund.” Und auch die Entlöhnung war klar geregelt: “ein jedes Kind muss wochentlich dem lehrer 3. schilling bezahlen, und alle tage ein stückchen holz mitbringen.”
Open Data auf dem Vormarsch
Wie sich offene Daten im Unterricht nutzen lassen, war Thema eines Workshops an den diesjährigen Open Education Days. 200 Interessierte aller Bildungsstufen besuchten die am 6. April durchgeführte Tagung an der PHBern. Im Workshop “Mit offenen Daten arbeiten” ging Jörg Berkel, Dozent für Medienbildung, auf beispielhafte Umsetzungen im Unterricht ein. Anhand der Frage “Wie viele Tonnen Tomaten produziert die Schweiz jährlich?” und dem Thema Foodwaste legte er dar, welche Kompetenzen man im Unterricht fördert, wenn Schülerinnen und Schülern Daten dazu recherchieren, überprüfen und visualisieren. Weitere Workshops am Open Education Day griffen Bereiche auf wie “Thymio, der vielseitige Lernroboter”, “OER in der Schule mit Openschoolmaps und H5P” oder “Der Lernstick als mobile Lern- und Arbeitsumgebung”. Sämtliche Präsentationen sind auf openeducationday.ch aufrufbar.
Die Stapfer-Enquête ist ein Beispiel von offenen Daten. Hintergrund dieser Entwicklung ist eine internationale Bewegung, die sich für Open Data einsetzt. Gemäss Definition der “Open Knowledge Foundation”, einer 2004 in Grossbritannien gegründeten Stiftung, handelt es sich dabei um “Daten, die man frei verwenden, bearbeiten und verbreiten kann – maximal eingeschränkt durch die Pflicht zur Quellennennung”. Die Open-Data-Bewegung zielt nicht auf persönliche Daten ab, vielmehr sind es Informationen aus Wissenschaft, Kultur, Statistik, Umwelt oder Transport, die man neu verknüpft und nutzt. Aber erst wenn Datensätze in einem maschinenlesbaren Format vorliegen, lassen sie sich analysieren und vergleichen. Wer ein PDF publiziert, schafft nicht offene Daten, da die Weiterbearbeitung eingeschränkt ist. Aus informationstechologischer Sicht wird es spannend, wenn offene Daten strukturiert, beispielsweise in Form von Tabellen vorliegen. Dann sind sie maschinenlesbar. Darunter fallen Geo- oder Wetterdaten, Finanz-, Umwelt- und Verkehrsinformationen, Statistiken oder auch Bildungsdaten. Bei komplexen und grossen Datenbeständen kommen oft technische Formate wie JSON oder XML zum Zug.
Wie viele Tonnen Tomaten?
Wie sich offene Daten im Unterricht nutzen lassen, war Thema eines Workshops an den diesjährigen Open Education Days. 200 Interessierte aller Bildungsstufen besuchten die am 6. April durchgeführte Tagung an der PHBern. Im Workshop “Mit offenen Daten arbeiten” ging Jörg Berkel, Dozent für Medienbildung, auf beispielhafte Umsetzungen im Unterricht ein. Anhand der Frage “Wie viele Tonnen Tomaten produziert die Schweiz jährlich?” und dem Thema Foodwaste legte er dar, welche Kompetenzen man im Unterricht fördert, wenn Schülerinnen und Schülern Daten dazu recherchieren, überprüfen und visualisieren. Weitere Workshops am Open Education Day griffen Bereiche auf wie “Thymio, der vielseitige Lernroboter”, “OER in der Schule mit Openschoolmaps und H5P” oder “Der Lernstick als mobile Lern- und Arbeitsumgebung”. Sämtliche Präsentationen sind auf openeducationday.ch aufrufbar.
Die Stadt Moers in der Vorreiterrolle
Über langjährige Erfahrung mit offenen Daten verfügen die Schulen der Stadt Moers in Nordrhein-Westfalen. Seit 2013 läuft dort das Projekt "Open Data und Schule". Das Projekt ist in einem Leitfaden dokumentiert und soll aufzeigen, dass sich offene Daten im Schulunterricht und im Rahmen des Lehrplanes sinnvoll einsetzen lassen (www.datenmachenschule.de).
Der Einsatz offener Daten im Klassenraum hingegen hat bisher (zu) wenig Beachtung gefunden. Damit bleibt ein wahrer Schatz an Daten weitgehend unbeachtet, der nicht nur dazu dienen könnte, staatliche Aufgaben und Entscheidungen transparenter zu machen, sondern auch dazu, bisher weitestgehend statische Unterrichtsmaterialien und Diskussions-grundlagen durch unmittelbare und relevante Infor-mationen zu ersetzen.Die Anwendungen, die dadurch erstellt werden kön-nen, machen komplexe Sachverhalte im Unterricht greifbar und verständlich. Durch Visualisierungen, die reale und konkrete Datensätze darstellen, können bspw. fachliche Fragen aus dem Politik- und Sozialkundeunterricht mit direktem Bezug auf die unmittelbare Umgebung diskutiert werden. Biologielehrer, die bei Waldspaziergängen auf das Baumkataster in der Stadt verweisen, Informaktikstuden-ten, die Anwendungen programmieren und Geschichtslehrer, die lokale Geschichtsstationen12 mithilfe von Kartensoftware thematisch verknüpfen— vieles ist denkbar. Die in Moers beteiligten Altersgruppen sind bei den jeweiligen Tools vermerkt.
Eine umfassende Sammlug an Open-Data-Portalen bietet web2-unterricht.ch, ein Blog der Lehrpersonen Renée Lechner, Urs Henning und Emil Müller (bit.do/eSiwv). Den grössten Bestand an offene Daten in der Schweiz dokumentiert opendata.swiss, ein Gemeinschaftsprojekt von Bund und Kantonen. Dort sind auch Anwendungen, die offene Daten nutzen, aufgeführt. Zum Beispiel ein Wohungsrechner, der die günstigste Wohngemeinde findet. Oder die Zeitmaschine “smapshot”, die anhand von Fotografien die Veränderungen der Schweizer Landschaften abbildet.