Bei Webkonferenzen fallen viele personenbezogene Daten an. Der Umgang mit denselben gilt es zu klären. (Illustration: Marina Lutz)
Digitale Kommunikation hat in der Coronakrise Hochkonjunktur. Doch wie steht es um die Privatsphäre und den Datenschutz bei Videokonferenzen?
8:10 Uhr – Deutsch (Videokonferenz). 9:00 Uhr – Französisch (Videokonferenz). 10:05 Uhr – Mathematik (Videokonferenz). Seit dem 16. März gleicht die Schweizer Volksschule einem grossen, virtuellen Schulhaus, gut gefüllt mit unzähligen Videokonferenzen. Natürlich nicht nur, aber als Instrument für den simultanen Kontakt setzen viele Schulen auf diese Form. Doch dabei eröffnen sich allenfalls ungewollte Einblicke: Ist das Zimmer aufgeräumt? Sieht das nach einem Haus mit Garten oder bloss einer kleinen Wohnung aus? Bei einer Videokonferenz exponieren Schülerinnen und Schüler ihr privates Umfeld, man sieht mehr als im Unterricht. Ist das ein unverhältnismässiger Eingriff in die Privatsphäre? "Nein", sagt Martin Steiger, Anwalt mit Spezialgebiet Recht im digitalen Raum. "Das man sich sieht, ist im Präsenzunterricht der Normalzustand und ermöglicht Interaktion. Will man in einer Videokonferenz sein privates Umfeld nicht zeigen, kann man sich entweder mit technischen Mitteln helfen und beispielsweise den Hintergrund weichzeichnen, ein Hintergrundbild einblenden oder einen Sichtschutz aufhängen." Das Recht auf Bildung werde gegenüber dem Recht auf Privatsphäre in dieser Frage höher gewichtet. Wenn sich jemand weigere, die Kamera einzuschalten, obschon die Lehrperson begründen könne, weshalb gegenseitige Sichtbarkeit zwingend erforderlich sei, so verstosse man entsprechend gegen eine Unterrichtsanweisung. "Hier hängt es von den Regeln der Schule ab, wie man diesen Fall handhabt."
Und wenn eine Lehrperson auf eigene Faust ein Tool für Videokonferenzen einsetzt, ohne sich mit der Schule abgesprochen zu haben? "Das ist nicht zulässig", erklärt Martin Steiger. "Schulen tragen die Verantwortung, sie setzen die Rahmenbedingungen. Das umfasst auch die digitale Infrastruktur."
Zoom musste Schlupflöcher stopfen
Starken Anklang finden derzeit die Videokonferenz-Apps "Zoom" und "Teams". Sie sind einfach bedienbar und funktional für die Arbeit mit Klassen. So kam man mit Zoom im Handumdrehen eine "Breakout-Session" mit einzelnen Schülerinnen und Schülern starten. In der kostenlosen Variante ist die Dauer einer Konferenz auf 40 Minuten beschränkt. Zoom stand aber auch unter massiver Kritik, bemängelt wurde die Datensicherheit und die Weitergabe von Nutzerdaten. Das US-amerikanische Unternehmen hat zwar nachgebessert, dennoch empfiehlt der Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich, Zoom nicht über die Coronakrise hinaus zu verwenden. Wer mit Zoom arbeitet, kann sich am Blogbeitrag "Zoom Security - Absichern von virtuellen Meetings" des Züricher IT-Sicherheitsunternehmens SCIP orientieren. Dieser zeigt, wie man eine Zoom-Videokonferenz sicherer gestaltet (scip.ch). Es bestehen eine Reihe von Alternativen, die Coronakrise treibt den Markt an. Oft genannt werden beispielsweise Jitsi, Google Hangout Meets, Cisco WebEx oder Jump.Chat.
Vor allen technischen oder rechtlichen Fragen gilt es aber, die didaktische und pädagogische Ebene zu klären: Bringt eine Videokonferenz den gewünschten Mehrwert? Hilft sie der einzelnen Schülerin, dem einzelnen Schüler? Erfahrungen aus dem Fernunterricht zeigen, dass textbasierte Kommunikation durchaus zielführender und effizienter sein kann. Kommt dazu, dass nicht allen Kindern und Jugendlichen überhaupt ein passables Gerät zur Verfügung steht. Aus Sicht der Chancengleichheit muss die Schule hier für gleiche lange Spiesse sorgen.
Pragmatischer Datenschutz
Als Mitte März innert weniger Tage der Fernunterricht zur Realität wurde, rückten datenschutzrechtliche Fragen vielerorts in den Hintergrund. Dass man sich auf kurzfristige Sicht nicht prioritär darum kümmert, können Datenschützerinnen und Datenschützer nachvollziehen. So vertritt privatim, die Konferenz der schweizerischen Datenschutzbeauftragten, eine pragmatische Haltung. "Ausserordentliche Lagen verlangen auch nach ausserordentlichen Massnahmen", schreibt privatim in ihrer Stellungnahme zur digitalen Zusammenarbeit während der Coronakrise.
Mittel- und langfristig muss aber bei Plattformen für Videokonferenzen der Umgang mit personenbezogenen Daten geklärt werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Zugang anonym erfolgt oder eine Anmeldung oder ein persönliches Konto voraussetzt. Hauptteil der Verarbeitung sind Bild- und Tondaten (Abbild des Nutzers, seine Stimme, gesprochene sowie gezeigte Inhalte). Viele Plattformen bieten zusätzliche Funktionen an, einen Chat, das Teilen des Bildschirms, das Teilen von Dateien, die Aufzeichnung des Videos oder andere Anwendungen. Es fallen also viele personenbezogene Daten an, denen eine besondere Schutzwürdigkeit zukommt.