Beat Döbeli Honegger forderte an der 3. Bildungs- und Forschungskonferenz, Medienbildung und Informatik im Lehrplan 21 verbindlich zu verankern. (Bild: Greg Nielsen)
Leitmedienwechsel oder digitale Demenz? Was der digitale Wandel für das Lernen und die Schule bedeutet, wird unter Experten kontrovers diskutiert.
Das Ringen um den Einbezug der digitalen Medien in die Schule ist ein Evergreen in der Schulentwicklung. Keine Tagung, an der nicht über die (zu) schleppende Entwicklung diskutiert wird, keine Tagung, an der nicht weitere Instrumente und Konzepte vorgestellt werden, um ICT im Unterricht endlich zu Durchbruch zu verhelfen.
Diese Frage stand am 12. März im Gottlieb Duttweiler Institut im Zentrum. Organisiert vom Verein Standortförderung Zimmerberg-Shiltal und weiteren Partnern, kamen über 200 Lehrpersonen, Vertreter Pädagogischer Hochschulen und Bildungsverantwortliche an die 3. Bildungs- und Forschungskonferenz nach Rüschlikon. Die Tagung war vollends ausgebucht. Grund dafür waren die namhaften Referenten, allen voran der Bestseller-Autor Manfred Spitzer sowie die ICT-Experten Beat Döbeli Honegger, Michael Kerres und Juraj Hromkovic.
„Lernen, die richtigen Fragen zu stellen“
Beat Döbeli Honegger beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit der Frage, wie ICT das Lernen unterstützen kann. Als Dozent für Medienbildung und Informatikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz hat er unter anderem das iPhone-Projekt in Goldau initiiert und wissenschaftlich begleitet. Wenn Döbeli Honegger von Digitalisierung spricht, so meint er damit auch den stattfindenden Leitmedienwechsel – von analogen hin zu digitalen Medien. „Mit 0 und 1, mit dem binären Alphabet kann ich heute Ton, Bild oder Text mit ein- und demselben Gerät speichern und über diverse Kommunikationskanäle verbreiten“, erklärte Döbeli Honegger in seinem Eingangsreferat in Rüschlikon. Neben den deutlichen Vorteilen, die damit verbunden seien, wachse aber auch die Datenflut mit der Digitalisierung stark an. Deshalb werde es immer wichtiger zu wissen, mit welchen Filtern man zu den gewünschten Daten komme. „Wir müssen nicht lernen, die richtigen Antworten zu geben, das kann der Computer auch. Wir müssen lernen, die richtigen Fragen stellen. Diese Kompetenz müssen Kinder und Jugendliche mitnehmen.“
Damit die Schule dies leisten kann, fordert Döbeli Honegger im Lehrplan 21 ein verbindliches Zeitgefäss für Medienbildung und Informatik. Denn: „Die Frage, welche Rolle digitale Medien in der Schule des 21. Jahrhunderts spielen, hängt stark davon ab, was dazu im Lehrplan 21 steht.“ Döbeli Honegger arbeitet selber am Bereich ICT & Medien des Lehrplans 21 mit. Dass dieser aber als überfachliches Thema in andere Fachbereiche integriert werden soll, geht ihm zu wenig weit. „Diese Integration in anderen Fächer findet offiziell seit vielen Jahren statt, der Effekt ist ungenügend. Es braucht ein eigenes Zeitgefäss“, sagt Döbeli Honegger. Und er hofft, dass die Kantone bereits die Einführung des Lehrplans 21 mit digitalen Medien unterstützen. „Gelangt der Lehrplan 21 als Bundesordner zur Lehrperson? Oder nutzen die Kantone dazu digitale Plattformen?“
ICT? Musik, Sport, Theater!
Für Manfred Spitzer, Neurologe und Psychiater, sind digitale Medien und ICT in der Primarschule kein Erfolgsfaktor, sie sind überflüssig. „Musik, Sport, Theater: Das sind die wichtigen Schulfächer, was Gehirnbildung anbelangt“, sagt Manfred Spitzer. Denn diese hänge stark mit körperlicher Tätigkeit, mit körperlichem Erfahren zusammen. Wer aus Fünfjährigen Informatiker machen wolle, der müsse Kindern mit Fingerspielen die Welt der Zahlen ‚be-greifbar’ machen, dazu brauche es keine Tablets.
Der Autor des Bestsellers „Digitale Demenz“ zitierte in seiner Präsentation eine Reihe von internationalen Studien, die den negativen Effekt des Medienkonsums dokumentieren. Im Wissen um seine exotische Rolle als ICT-Gegner an einer ICT-Tagung machte er auch klar: „Ich will nicht zurück auf die Bäume. Computer und Internet sind toll, auch ich nutze diese Arbeitsinstrumente rege. Aber wir können Bildung nicht dem Markt und den IT-Firmen überlassen, davor warne ich.“
Gegenargumente kennen
Dass Beat Döbeli Honegger Kritik an ICT als Lerninstrument ernst nimmt, belegt er mit einem Argumentarium auf 1to1learning.ch. Dort hat er über 50 Argumente, die gegen 1:1-Ausstattungen in Schulen sprechen, gesammelt und mit Gegenargumenten ergänzt. Und in einem Punkt war man sich trotz unterschiedlicher Meinungen auch in Rüschlikon einig: Ein kompetenter und kritischer Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologie wird immer wichtiger und muss an Schulen stufengerecht gefördert werden.
Beat Ritschard, Geschäftsführer der Standortförderung Zimmerberg-Sihltal und Co-Leiter der 3. Bildungs- und Forschungskonferenz, zeigte sich mit der Tagung zufrieden. „Der gewünschte Dialog hat stattgefunden“, so Ritschard, „und die Brisanz des Themas bietet genügend Anknüpfungspunkte, um die Konferenz weiterzuführen.“ Sämtliche Präsentationen der diesjährigen Tagung sind online abgelegt (www.bit.ly/Shiltal).