Thomas Merz formulierte an der SFIB-Fachtagung zehn Thesen, wie sich Medienbildung erfolgreich in den Schulalltag integrieren lässt. (Bild: educa.ch)
Welche Konzepte der ICT- und Medienbildung überdauern die schnelllebigen Trends und Hypes der digitalen Welt? Ideen dazu liegen vor, finden in der Schule aber noch nicht den gewünschten Platz, zeigte sich an der SFIB-Fachtagung in Bern.
„ICT-Konzepte ohne Verfallsdatum?“ – Was auf den ersten Blick nach einer Fangfrage aussieht, entpuppte sich am 28. August an der SFIB-Fachtagung als spannendes Thema. Rund 180 ICT- und Bildungsverantwortliche aus allen Landesteilen folgten der Einladung der Schweizerischen Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen SFIB nach Bern. Geführt von educa.ch, ist die SFIB dafür verantwortlich, die vom Bundesrat und von der EDK definierten ICT-Strategien umzusetzen und zu koordinieren. Seit Sommer 2012 steht die SFIB neu unter der Co-Leitung von Markus Willi und François Flückiger.
Was ist verbindlich?
„Wieso sollen wir digitale Medien im Schulzimmer verbieten, wenn sie für Jugendliche ein offenes Tor zur Aussenwelt darstellen?“ Mit dieser Aussage warb der französische Bildungs- und ICT-Experte Michel Guillou für eine aktivere Haltung, wenn es um den Einsatz von digitalen Medien geht. Für Guillou ist klar, dass die Schule dem gegenwärtigen Wandel hin zur Onlinegesellschaft zu wenig Rechnung trägt. In einem Stakkato von Zahlen und Statistiken skizzierte er während seiner Eröffnungspräsentation die mediale Welt, in der sich Jugendliche heute bewegen. Und wie soll die Schule verantwortungsvoll darauf reagieren? Guillou hatte kein spezifisches Konzept mit im Gepäck, vielmehr wollte er auf die wesentlichen Punkte hinweisen, die bei der Konzeptarbeit beachtet werden müssen. „Die Schule soll Jugendliche ermutigen, sich im Netz auszudrücken. Nur indem man gemeinsame Nutzungs- und nicht nur Verbotsreglen festlegt, erhalten digitale Medien ihren sinnvollen Platz im Schulalltag“, erläuterte Guillou. Zudem müsse über die Position der Lehrperson in diesem „allwissenden“ Umfeld nachgedacht werden. Der Lehrer als alleinige Wissensinstanz sei längst passé.
Einen anderen Knackpunkt der Medienbildung brachte Thomas Merz in der zweiten Präsentation zur Sprache. „Es sind nicht die Konzepte zur Medienbildung, die uns fehlen, es ist deren verbindliche Verankerung“, sagte Merz, Professor an der PH Thurgau. Während das Kinderzimmer sich in eine Medienzentrale verwandle, treffe man in Schulen vom iPad-Projekt bis zum digitalen Niemandsland sehr heterogene Ansätze an. „Wir müssen Kinder und Jugendliche weder zu Medien hin- noch sie davon wegführen, wir müssen sie in einer medialisierten Welt lebensfähig machen.“ Merz vermisst dazu die klaren Verbindlichkeiten in den Lehrplänen – und folglich im Schulalltag.
Dass es durchaus dauerhafte Konzepte zur Medienbildung gibt, belegte Thomas Merz anhand Christian Doelkers Standardwerk „Medienpädagogik“, publiziert 1979. Vieles davon habe nach wie vor seine Gültigkeit und lasse sich vom damaligen fernsehzentrierten auf das heutige digitale Umfeld übertragen.
EPICT: Der ICT-Führerschein
Wie hat eine zeitgemässe ICT-Infrastruktur auszusehen? Wie steht es um die Distribution von digitalen Lehrmitteln? Was zeichnet eine wirkungsvolle Aus- und Weiterbildung in ICT aus? Diese Aspekte dominierten die 27 Workshops, die nach den Präsentationen von Michel Guillou und Thomas Merz zur Auswahl standen.
So zeigten Stéphanie Burton und Philippe Devaud von der Fachstelle fri-tic.ch auf, welche Folgekosten iPads im Unterricht hervorrufen. In der Romandie standen mit der Einführung des Plan d’Etudes Romand viele Schulen vor der Frage, ob es sich lohnt, für alle Lernenden Tablets anzuschaffen. Netzwerkinfrastruktur, IT-Sicherheit, Gerätemanagement, Lizenzen: Für eine Schule mit 1000 Schülerinnen und Schülern und 40 Zimmern entstehen im Rechenbeispiel von Burton und Devaud jährlich wiederkehrende Kosten von bis zu 266’000 Franken – Anschaffungspreis miteinberechnet.
Eine Schweizer Adaption des europäischen Weiterbildungsprogramms EPICT (European Pedagogical ICT Licence) stellte Olivier Wüest, Verantwortlicher für Medienbildung an der PHZ Zug, vor. EPICT.CH setzt sich zum Ziel, diese team- und praxisbezogene Weiterbildung an Pädagogischen Hochschulen zu etablieren. Dabei besuchen Lehrpersonen gemeinsam einen webbasierten und persönlich begleiteten Kurs, in dem sie den Unterricht mit ICT-Einsatz umsetzen. Unterlagen zu diesen und weiteren Workshops sind auf www.sfib.educa.ch abgelegt.
Karl Wimmer, Vize-Direktor von educa.ch, zog nach der Tagung eine positive Bilanz: „Mit dieser Fachtagung hat sich die SFIB zurückgemeldet. Die Frage, ob die bestehenden ICT-Konzepte in Schule und Unterricht noch zeitgenössisch sind, ist für uns zentral.“ Die grosse Teilnehmerzahl habe gezeigt, dass der Bedarf nach gesamtschweizerischem Austausch bestehe. Dazu plane die SFIB 2013 weitere Austauschtreffen und Tagungen, so Wimmer. „Unter den Tagungsteilnehmern bestand Konsens, dass ICT-Konzepte nur erfolgreich sein können, wenn sie zeitgemäss sind und vom tatsächlichen Mediengebrauch der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrpersonen ausgehen.“