
Die iPad-App „Multidingsda“ des Zürcher Lehrmittelverlags ermöglicht Sprachlernen mit Fingerspitzengefühl.
Lernprogramme boomen. Doch während Hersteller um Marktanteile kämpfen, steht ein Sieger im Vorneherein fest: der Webbrowser.
In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schwärmten IT-Experten: Lernsoftware hätte das Potenzial, Schule und Lernen zu revolutionieren. Wer die Schullandschaft 20 Jahre später betrachtet, sucht diese Revolution vergebens. Sie ist ausgeblieben. Noch erscheint die Mensch-Maschine-Kommunikation zu linear, zu behavioristisch ausgelegt, als dass ein Lernprozess in seiner Gesamtheit von einem Computer angeleitet und gesteuert werden könnte.
Und trotzdem hat der Computer, haben Lernprogramme ihren berechtigten Platz im heutigen Lernen eingenommen. Befeuert durch die Kommunikationsmöglichkeiten und die Geschwindigkeit des Internets waren vor allem die vergangenen 10 Jahre geprägt von grossen Fortschritten in technischer und konzeptioneller Hinsicht. Dabei zeichnen sich klare Trends ab: Die Entwicklung geht weg von proprietären Lösungen, hin zu Lernprogrammen, die sich in einem Webbrowser ausführen lassen; und sie geht weg von Anwendungen, die man mit Mauszeiger und Tastatur bedient, hin zu Anwendungen, die auf Touchscreens setzen.
Wo anfangen?
Wer im Markt der Lernsoftware den Überblick behalten will, ist auf gute Vergleichsdatenbanken angewiesen. Der Markt ist gross und es gilt nebst Inhalt, technischen Voraussetzungen, Programmtyp, Kosten, Einsatzmöglichkeit und didaktischem Modell weitere Kriterien zu beachten. Gute Entscheidungshilfen gibt es einige: Das Portal internet-abc.de führt eine kommentiere Liste von 181 Lernprogrammen für alle Schulstufen, geeignet für Eltern und Lehrpersonen. Umfassender nimmt sich Datenbank für Medien und Bildung sodis.de dem Thema an: Hier sind neben Lernprogrammen auch Online-Lernobjekte, beispielsweise Hot-Potatoes-Übungen, dokumentiert. Die grössten kommerziellen Ratgeber finden sich unter feibel.de und lernsoftware.de. Bei Kataloge sind Fächern und Schulstufe geordnet und effizient zu durchsuchen. Auf Open-Source-Lernprogramme ausgerichtet sind die Übersichten auf unterricht.educa.ch (Guides und Dossiers > Good Pr@ctice) und ossanschulen.ch, wo ausserdem Linux-Software zur Sprache kommt.
Mit der Entwicklung von Lernprogrammen beschäftigt sich auch der Zürcher Profax-Verlag. Seit über 30 Jahren mit den Profax-Lerngeräten eine feste Grösse, setzt der Verlag mit dem Online-Lerncenter nun auf das Internet. Für Verlagsleiter Walter Bucher eine ideale Erweiterung: „Mit dem Lerncenter wollen wir unsere Inhalte auch auf Computern, Laptops oder Tablets anbieten.“ Das Lerncenter setzt auf die aktuellsten Webtechnologien und lässt sich mit einem Browser oder als eigenständige Applikation ausführen. Die bestehenden und weit verbreiteten Lerninhalte von Profax werden Schritt für Schritt für die Plattform adaptiert. Das Lerncenter will aber mehr als bloss Online-Übungen anbieten: Eine Lehrperson kann individuelle Arbeitspläne anlegen und den Lernstand der Jugendlichen mitverfolgen. Auch eigene Trainingseinheiten zu konzipieren soll das Lerncenter künftig ermöglichen. „Zudem lancieren wir demnächst ‚Geografie Schweiz’, eine Lernumgebung, die aus Lern- und Arbeitsheft sowie Lernprogramm mit Regionalteil und Quiz besteht. Denkbar ist, dass Lehrpersonen dazu eigene Einheiten für ihre lokale Geografie oder Geschichte mit dem Lerncenter herstellen. Dazu werden wir demnächst Kurse anbieten“, erklärt Walter Bucher. Wer das Lerncenter nutzen will, muss eine Jahresgebühr von 3.70 Franken pro Login bezahlen. Bei einer lokalen Installation kosten die Lernprogramme zwischen 40 und 80 Franken, günstigere Schullizenzen sind auch erhältlich (Testzugang zum Lerncenter: plc.profax.ch).
„Tablets sind sinnlicher“
Für den Zürcher Lehrmittelverlag hat Profax vor Kurzem das Lernprogramm Multidingsda als App für das iPad aufbereitet. Multidingsda fördert den Wortschatzaufbau und ist für fremdsprachige Kinder sowie für den Kindergarten oder die Basisstufe geeignet. Die Wörter des Grundwortschatzes sind 40 Themen zugeordnet, die je mit einem Wimmelbild illustriert sind. Der Ablauf ist analog zu einer Lernkartei aufgebaut: richtig bearbeitete Wörter kommen in die nächste Übungsstufe, falsch bearbeitete Wörter müssen noch einmal geübt werden.
Die Entwicklung hin zu portablen Geräten verfolgt Walter Bucher aktiv mit. „Lernen wird mobil und es ist für Kinder sinnlicher, ohne Maus und Tastatur direkt auf einem Bildschirm zu arbeiten.“ Inwieweit sich Tablet-Computer, allen voran das iPad, für den Unterricht eignen, muss sich erst weisen. Klar ist, dass die Hersteller diesen Markt forcieren. Als Testschule nutzt auch die Kölner Kaiserin-Augusta-Schule iPads im Unterricht. Ihre Erfahrungen dokumentieren die Lehrpersonen in einem Blog (www.ipadkas.wordpress.com).