Isoliert und einsam oder integriert und in Kontakt? Der Handykonsum von Kindern wird kontrovers diskutiert. (Foto: Gaelle Marcel)
Einen Tag ohne Handy? Für Viele kaum mehr vorstellbar. Wie gelingt Kindern und Jugendlichen ein gesunder Umgang mit digitalen Medien?
An der Bushaltestelle, beim Einkaufen, im Restaurant, auf dem Sofa: Das Handy ist omnipräsent und dominiert unseren Medien- und Internetalltag. Kein anderes Gerät vereint so viele Funktionen und macht es so einfach, mit anderen Menschen in Kontakt zu bleiben. Um sich über die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz ein Bild zu machen, befragt die JAMES-Studie im Zweijahresrhythmus rund 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren. Dabei zeigt sich, dass praktisch alle Jugendlichen ein Smartphone nutzen. Die selbstgeschätzte Nutzungsdauer des Handys bleibt in den Studien von 2016, 2018 und 2020 relativ stabil: Unter der Woche sind es täglich zwischen 3 und 3,5 Stunden, am Wochenende ist sie von 4 auf 5 Stunden angestiegen. Die Jugendlichen suchen nach Informationen, Unterhaltung oder Ablenkung bei Langeweile, organisieren den Alltag und pflegen Kontakte.
Früh thematisieren
"Der Alltag der Kinder und Jugendlichen ist digital geprägt", sagt Lulzana Musliu, Medienverantwortliche bei Pro Juventute. "Online- und Offline-Aktivitäten sind oft nicht mehr klar abgrenzbar. Und Kinder kommen im jungen Alter mit digitalen Medien in Kontakt, drei Viertel der 10- und 11-Jährigen haben ihr eigenes Handy." Pro Juventute bietet denn auch bereits für die 3. Klasse Medienworkshops an. Darin geht es um die verantwortungsvolle und sichere Nutzung digitaler Medien. Anhand aktueller Beispiele kommen Fragen zu Chats, sozialen Medien, Games oder zu Regeln und Gesetzen im Internet zur Sprache. "Wir sehen diesen Zeitpunkt als ideal, um ein Vorwissen aufzubauen, bevor man sein eigenes Handy nutzt", erklärt Musliu. Je früher Kinder die Vor- und Nachteile der digitalen Welt kennenlernten, desto besser könnten sie damit umgehen. Neben den Workshops vor Ort stellt Pro Juventute Schulklassen eine Reihe von Erklärvideos und einen Medienprofi-Test zur Verfügung (projuventute.ch).
Vertrauensverhältnis ist wichtig
Ein oft erwähnter Streitpunkt in Familien ist die Frage nach der Bildschirmzeit. Kindern erscheint sie zu kurz, Eltern zu lange. In den Systemeinstellungen eines iPhones kann man die Bildschirmzeit nachvollziehen und auch begrenzen (bei Android-Geräten heisst die Funktion "Digitales Wohlbefinden"). Doch das reine Bemessen der Bildschirmzeit ist nicht der entscheidende Faktor. Zentral ist, was am Handy gemacht wird und wie sich das auf andere Lebensbereiche auswirkt. Stundenlanges Scrollen und Swipen, endloses Videostreaming, ständige Ablenkung; das sind Anzeichen einer problematischen Handynutzung. "Wichtig ist das Vertrauensverhältnis mit den Eltern. Kinder sollen ihre Unsicherheiten und Erfahrungen ansprechen können", sagt Lulzana Musliu. "Auch lohnt es sich, Nutzungsregeln gemeinsam aufzustellen und sich zeigen zu lassen, was sie online machen." Und natürlich dürfe man die eigene Vorbildfunktion nicht unterschätzen. Kinder würden sich am Online-Verhalten ihres Umfelds orientieren.
Eine verantwortungsbewusste Handynutzung setzt Medienkompetenz voraus. Hierzu bieten Fachstellen und Online-Portale Hilfe. Beispielsweise das Netzwerk feel-ok.ch, das von Institutionen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland getragen wird. Auf feel-ok.ch finden sich im Bereich "Webprofi - Medienkompetenz" didaktisierte Materialien, interaktive Tools oder Umsetzungsideen für den Unterricht. Auch das deutsch Portal klicksafe.de führt viele Inputs für Schulklassen auf. Wer grundlegende Informationen zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen sucht, findet auf jugendundmedien.ch in der Rubrik "Digitale Medien" aktuelle Zahlen und Fakten.