Diverse Pressereaktionen verdeutlichen die Dimension der Unstimmigkeiten zwischen Microsoft und educa.SFIB.
Microsoft Schweiz und educa.SFIB sind sich uneins, was Softwarelizenzen in Schulen anbelangt. Ob und wie die weitere Zusammenarbeit funktioniert, ist ungewiss.
Der Haussegen zwischen Microsoft Schweiz und der Schweizer Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen (educa.SFIB) hängt schief. Höhepunkt der Verstimmung ist die im vergangenen März von educa.SFIB veröffentlichte „Empfehlung in Sachen Microsoft School Agreement und Live@edu“ (www.educa.coop). Darin rät educa.SFIB Schulen, Live@edu nicht zu nutzen, von daran gekoppelten Mietlizenzen für Microsoft-Produkte abzusehen und mittel- oder langfristig einen Umstieg auf Open-Source-Software zu erwägen. Dieser Vorschlag wirbelte viel Staub auf und fand Echo in nationalen und internationalen ICT-Publikationen.
Als Vertragspartner kennen sich educa.SFIB und Mircosoft seit mehreren Jahren. Im Zusammenhang mit der Initiative PPP-SiN (Public Private Partnership – Schulen in Netz) haben sie 2003 drei wichtige Rahmenverträge ausgehandelt: Das „Master School Agreement“, das „Select Agreement“ und die „Partners in Learning“-Vereinbarung. Das Master School Agreement und das Select Agreement sind von der momentanen Diskussion nicht betroffen. Beide Verträge laufen weiter und garantieren Vergünstigungen für Microsoft-Programme in öffentlichen Schulen. So bezahlen Sekundarschulen, die das Master School Agreement beanspruchen, zwischen 60 und 120 Franken pro Jahr und Computer an Lizenzgebühr, je nach Leistungsumfang des Vertrags.
Keine „Partners in Learning“ mehr
Nicht mehr in Kraft ist seit dem 1. Juli 2009 die Vereinbarung „Partners in Learning“. Diese ist abgelaufen und nicht erneuert worden. Verhandlungen im vergangenen Sommer verliefen ohne Abschluss. Für Microsoft Schweiz ist die „Partners in Learning“-Vereinbarung grundlegend, um Primarschulen weitere Vergünstigungen anbieten zu können, so dass diese für 22 Franken pro Jahr und Computer ein Betriebssystem und Software von Microsoft nutzen können. Werden sich die Konditionen für Primarschulen nun ändern? „Nein, bis auf Weiteres sind die Preise für Primarschulen gewährleistet“, sagt Barbara Josef, Pressesprecherin von Microsoft Schweiz. „Wir streben die Unterzeichnung einer Vereinbarung an, um die günstigeren Konditionen für Primarschulen langfristig anbieten zu können. Wie alle anderen Firmen behält sich aber auch Microsoft vor, Änderungen an den Lizenzmodellen und Preisen vorzunehmen.“ Auch educa.ch betont, dass die School Agreements nach wie vor Gültigkeit haben. „Die Verträge, die wir im Auftrag der Kantone und des Bundes stellvertretend für alle öffentlichen Schulen bis und mit Sek II abgeschlossen haben, bestehen weiterhin“, erläutert Karl Wimmer, bei educa.ch als Leiter Fachredaktion und Netzwerke tätig. Wegen der aktuellen Ausgestaltung von Live@edu habe sich educa.SFIB aber entschieden, bei der „Partners in Learning“-Vereinbarung nicht mitzuwirken. Zu gross seien die rechtlichen Nachteile, die sich Schulen dabei einhandeln würden.
Verwirrung um Live@edu
Stein des Anstosses ist Live@edu, Microsofts Online-Plattform für Bildungseinrichtungen. Diese bietet Lehrpersonen und Schülern kostenlose E-Mail-Konten und weitere Onlinetools (www.liveatedu.ch). Während den Verhandlungen mit educa.SFIB sah Microsoft vor, Live@edu in die School-Agreements-Lizenzen zu integrieren und Schulen, die Live@edu nutzen, einen Preisrabatt zu bieten. In der Nutzung und in punkto Datenschutz macht educa.SFIB bei Live@edu aber Mängel aus. „Die Nutzungsbedingungen und die Vertraulichkeitserklärung von Live@edu benachteiligen Schulen. Microsoft kann die darin enthaltenen Bedingungen nach eigenem Ermessen und ohne vorgängige Information abändern“, schreibt educa.SFIB in ihrer Empfehlung.
Microsoft widerspricht diesen Einwänden und macht geltend, „dass educa.SFIB falsch recherchiert hat“, so Microsoft-Presseprecherin Barbara Josef. „Die Nutzungsbedingungen für Privatpersonen wurden mit denjenigen der Demo-Webseite verwechselt. Die Datenschutzbestimmungen dieser Seite haben nichts zu tun mit den Nutzungsbedingungen der Live@edu-Dienste und beziehen sich ausschliesslich auf das Web-Formular, mit welchem Lehrpersonen Test-Zugänge anlegen können.“ Seit Oktober 2009 würden die Nutzungsbestimmungen von Live@edu mit den Zürcher Behörden auf ihre Vereinbarkeit mit Schweizer Recht geprüft und befänden sich in Überarbeitung. Laut Microsoft haben die Gespräche mit den involvierten Behörden bisher keine grundsätzlichen Bedenken gegen Live@edu gezeigt. educa.SFIB hat Microsoft gebeten, die für die Live@edu-Dienste tatsächlich geltenden Nutzungsbedingungen bekannt zu machen, und angekündigt, die Empfehlung dann zu prüfen.
Doch abgesehen von der Kritik an Live@edu sieht educa.SFIB auch langfristige Vorteile in der Nutzung von Open-Source-Software. „In unserer Empfehlung zeigen wir ebenfalls strategische, pädagogisch-didaktische und finanzielle Gründe auf, die bei der Anschaffung von Software zu bedenken sind“, sagt Karl Wimmer von educa.ch. Ausgehend von diesen rate educa.SFIB Schulen, den Ausstieg aus der Welt der Closed-Source-Software ins Auge zu fassen und mittel- bis langfristig auf Open-Source-Software umzusteigen. Ein solcher Entscheid liege jedoch klar bei den Schulen und den zuständigen Behörden. Einen Schritt Richtung Open-Source unternimmt derzeit der Kanton Basel-Stadt. Seit Anfang März laufen die Computer an basel-städtischen Schulen mit Linux. Auch im Kanton Genf und in Solothurn setzen die Schulbehörden auf Open-Source-Umgebungen.
Die Kritik seitens educa.SFIB will Microsoft nicht ohne Widerhall ausklingen lassen und in Kürze eine detaillierte Stellungnahme veröffentlichen. „Die weitgehende Kritik hat dazu geführt, dass wir die Kooperation mit educa.SFIB überdenken“, führt Barbara Josef aus. „Nichtsdestotrotz möchten wir auf Bundesebene zur partnerschaftlichen Basis zu den Zeiten von PPP-SiN zurückzufinden.“ Selbst wenn es momentan nach wenig Einigkeit aussieht, stimmen educa.SFIB und Microsoft in diesem Anliegen überein. Am 16. März hat educa.SFIB Microsoft zu Verhandlungen um eine neue Rahmenvereinbarung zu „Partners in Learning“ eingeladen.