Seit dem 16. März 2001 ist die deutschsprachige Wikipedia aktiv: Dieses Jubiläum feiern die Trägervereine 2021 mit mehreren Aktionen. (Illustration: Wikimedia)
Wikipedia hat den Zugang zum Wissen demokratisiert. 2021 feiert die Online-Enzyklopädie ihr 20jähriges Jubiläum.
Was ist Formaldehyd? Wie hiess der erste Bundesrat? Wie hoch ist der Eiffelturm? Wer es nicht weiss, weiss wenigstens, wo nachschlagen: Wikipedia ist nur selten um eine Antwort verlegen. Würde man die Fülle der freien Online-Enzyklopädie, die man bequem vom Sofa aus abruft, in Buchform im Wohnzimmer aufstellen, ergäbe das eine Bibliothek mit 1'478 Bänden, wie Wikipedia in der hauseigenen Statistik vorrechnet. Zum Vergleich: Die letzte Auflage des Grossen Brockhaus anno 2006 bestand aus 30 Bänden, war 70 Kilogramm schwer und kostete 3'000 Franken. Klar: Dafür erhielten die Leserinnen und Leser beim Brockhaus durchwegs verlässliche Informationen. Die Artikel wurden von ausgewiesenen Expertinnen verfasst und von weiteren Experten geprüft.
Wikipedia hält dem einen basisdemokratischen Ansatz entgegen: Jeder Mensch kann sein Wissen einbringen und mitarbeiten. Es braucht nicht mal ein Login, wer anonym schreiben will, kann das. Erfahrene Wikipedianer sichten Änderungen von Neulingen und überprüfen, ob ein Eintrag plausibel ist. Offensichtlicher Nonsens wird umgehend gelöscht. Dieses System der gegenseitigen Kontrolle sorgt dafür, dass niemand die Deutungshoheit über das zusammengetragene Wissen erlangt. Das gelingt nicht immer einwandfrei, es gibt Beispiele von so genannten "Edit-Wars", anhaltenden Bearbeitungsstreitereien von mehreren Usern. Diese nehmen aber gemessen an der Gesamtanzahl der Beiträge einen verschwindend kleinen Anteil ein.
Deutsche Version ist die Nummer 2
Weltweit arbeiten schätzungsweise 90’000 Autoren und 10'000 Autorinnen an den 300 Sprachversionen. Der Frauentanteil war von Anfang an tief und steigt nur langsam. Es ist ein erklärtes Ziel von Wikipedia, vermehrt Frauen als Autorinnen anzusprechen. Mit über 2,5 Millionen Artikeln ist die deutschsprachige Ausgabe die zweitgrösste weltweit. Sie verzeichnet monatlich ungefähr 1 Milliarde Zugriffe, das entspricht 23'000 Aufrufen pro Minute. Rund 8’000 Personen pflegen und aktualisieren die deutschen Artikel, darunter mehrere hundert aus der Schweiz. Spannendes Detail: Die meisten Artikel werden pro Sprachversion neu verfasst und nicht übersetzt. So kommen Unterschiede zum Vorschein, wie ein Thema in einem Kulturkreis aufgenommen wird.
Als Organisation hinter Wikipedia bildet die "Wikimedia Foundation" mit Sitz in San Francisco das Rückgrat. Autorinnen und Autoren einer Sprachversion organisieren sich in unabhängigen Trägervereinen, diese heissen "Chapters". Für die deutschsprachige Version sind das Wikimedia Deutschland, Wikimedia Schweiz und Wikimedia Österreich. Sie unterstützen die Community in der ehrenamtlichen Arbeit und organisieren Veranstaltungen, um den Austausch zu fördern und neue Aktivmitglieder zu gewinnen. Wikimedia bietet aber mehr als "nur" eine Online-Enzyklopädie, es gibt beispielsweise Wikimedia Commons, ein Sammlung von freien Bildern und Multimediadaten, Wikidata, ein technisch strukturierte Datensammlung oder Wikiquote, eine Zitatesammlung.
Das Wiki-Prinzip im Unterricht
Wenn es darum geht, im Unterricht gemeinsam Inhalte zu einem Thema zu strukturieren und zu bearbeiten, so kann ein Wiki helfen. Historische Quellen beschreiben und interpretieren, ein thematisches Lexikon aufbauen, gemeinsam einen Text in einer fremden Sprache verfassen, Fakten zu einem Gegenstand sammeln und ordnen: Die Einsatzformen sind mannigfaltig. Im Buch "Der Wiki-Weg des Lernens" haben Beat Döbeli Honegger und Michele Notari 2013 Beispiele und Konzepte für den Unterricht gesammelt, die heute noch Gültigkeit haben. Dabei kommen auch mögliche Schwierigkeiten zur Sprache: Hemmungen, Texte von Mitschülerinnen oder Mitschülern zu überarbeiten; Probleme mit dem Texteditor; die Herausforderung, gemeinsam zu schreiben. Es braucht eine präzise Einführung, damit ein Wiki zu einem effizienten Werkzeug wird. Denn neben dem Inhalt wird auch die Methodik zum Thema. Was in einem Wiki steht, kann jederzeit überarbeitet und verändert werden, mit dieser digitalen Kulturtechnik muss man umegehen lernen.
Doch während Wikipedia als Wissensquelle im Unterricht allgegenwärtig ist, so fällt der aktive Einsatz von Wikis eher bescheiden aus. Es gibt nur wenige Beispiele, die im Unterricht entstanden sind, mit ein Grund dafür dürften wohl auch technische Hürden sein. Das Jubiläum von Wikipedia stellt für die Trägervereine eine Chance dar, das Wiki-Prinzip im Unterricht zu stärken.