Von der Wolke lernen statt aus allen Wolken fallen

1. November 2013
Von der Wolke lernen statt aus allen Wolken fallen

Jeder sieht sie, niemand durchschaut sie: Das Sinnbild der Wolke steht Pate beim "Cloud Computing". Ist dieses Konzept für Schulen nützlich oder gefährlich?

Schweizer Datenschützer fühlen dem Datenschutz in der Schule auf den Zahn. Grund dafür sind Cloud-Dienste, die immer mehr zum Einsatz kommen.

Die von Edward Snowden im vergangenen Sommer ausgelöste NSA-Affäre hat dem Datenschutz und der Datensicherheit zu starker medialer Präsenz verholfen. Weshalb eine Diskussion dazu auch aus schulischer Sicht sinnvoll ist, zeigen aktuelle Beispiele aus der Zentralschweiz: Im August lässt Reto Fanger, der Datenschützer des Kantons Luzern, das Microsoft-Programm Office 365 am Gymnasium Alpenquai absetzen. Hauptgrund: Die Schule kann nicht kontrollieren, wie Microsoft Schülerdaten, die man hinterlegen muss, nutzt. Und im September sorgt die Hochschule Luzern für Negativschlagzeilen, weil auffliegt, dass Prüfungsresultate online einsehbar sind. Diese beiden Beispiele verdeutlichen, wie Schulen unter Druck geraten, wenn es um den Schutz von Schüler- und Studentendaten geht.

Dass Daten immer mehr “online” und immer weniger “offline” greifbar sind, ist Zeitgeist. Jedes internationale Unternehmen bietet heute internetbasierte Arbeitsumgebungen an, von einfacher Software bis hin zum vollständigen Betriebssystem. Zeit- und ortsunabhängiger Zugang zu Daten wird grossgeschrieben. Weil eine solche IT-Infrastruktur komplex zu managen ist, geht mit diesem Schritt oft eine zusätzliche Auslagerung einher. Firmen mieten Speicherplatz, Rechnerleistung, Netzwerkkapazität und Software bei einem professionellen Anbieter.  Dieses als “Cloud Computing” bekannte Konzept verspricht Effizienz: Programme und Daten laufen und liegen auf externen Servern, der Leistungsbedarf lässt sich flexibel anpassen, für Sicherheit sorgen passwortgeschützte Zugänge.

Zu den bekannten Cloud-Diensten gehören beispielsweise Dropbox, Microsofts Office 365, Google Drive oder Wuala. Cloud-Dienste fokussieren aber nicht einzig auf das kollaborative Entwickeln und Verwalten von Office-Dokumenten, in der IT-Wolke lassen sich beliebige Inhalte wie Mindmaps, Musik oder Videos gemeinsam erarbeiten und administrieren. Eine aktuelle Zusammenstellung mit Hintergrundinformationen und Links zu Angeboten hält das Portal zur Medienbildung, mediaculture-online.de, bereit (www.snurl.com/281eh9z).

Wie sich die “Cloud” auf den Unterricht auswirkt, kann Martin Kissling illustrieren. Er ist an der Tagesschule Birke in Mettmenstetten in der 5. und 6. Klasse tätig. In Kisslings Unterricht kommen iPads zum Einsatz; ICT ist Alltag, damit verbunden auch die Nutzung von Cloud-Diensten. “Für den Austausch von Arbeits- und Merkblättern verwende ich in erster Linie MyDrive.ch, selten Dropbox und natürlich unseren Schulserver”, erklärt Martin Kissling. “Zusätzlich arbeiten wir mit den Apps Showbie und iTunes U, auch diese ermöglichen es, Schülerarbeiten mobil zu verteilen und aufzurufen.” Sämtliche Konten der Schülerinnen und Schüler seien mit ihrem Vornamen und ihrer Schul-E-Mail-Adresse erfasst. So wie Martin Kissling arbeiten unzählige Lehrpersonen, Cloud-Dienste und ihre Vorzüge machen vor der Schulzimmertüre längst nicht mehr Halt.

Doch hier intervenieren nun die Datenschützer. Im Oktober hat die Vereinigung der Schweizerischen Datenschutzbeauftragten Privatim ein gemeinsames Papier veröffentlicht, das den Umgang mit Cloud-Diensten klarstellt (www.snurl.com/281d9qd). Darin hält Privatim fest: Zwischen einer Schule und einem Cloud-Anbieter muss ein schriftlicher Vertrag bestehen. Diese Forderung erfüllt man grundsätzlich mit dem Akzeptieren der Nutzungsbedingungen. Doch diese widersprechen meistens den Datenschutzbestimmungen, die in der Schweiz auf kantonaler Ebene geregelt sind. Der Datenschutz legt fest, dass “die Verfügungsmacht über die Daten bei der Schule liegt und diese nur für die Zwecke der Schule bearbeitet werden können”, so die Klarstellung von Privatim. Ausserdem müssen Cloud-Anbieter Schweizer Recht einhalten und Streitfälle vor Schweizer Gerichten austragen. Passen also Dienste wie Dropbox oder Google Drive ihre Nutzungsbedingungen nicht an, kommen sie für einen Einsatz in den Schulen nicht mehr in Frage. Es sei denn, es besteht die Möglichkeit, die Daten zu verschlüsseln. Dies bieten Firmen wie ownCloud, Wuala, SecureSafe oder TeamDrive bereits an.

Martin Kissling hat die Konsequenzen zur Frage der Datensicherheit gezogen: “Wir werden im neuen Jahr eine schulinterne Cloudlösung einrichten, dann bleiben die Daten im Schulhaus.” Welche Lösungen sich für Schulen im Umgang mit Cloud Computing abzeichnen, ist offen. Klar ist: Kollaboratives, orts- und zeitunabhängiges Arbeiten nimmt zu. Die Arbeitswelt lebt das vor. Höchste Zeit, dass sich die (Wetter-)Bedingungen für schulische Clouds verbessern und passende Angebote entstehen.

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