Der Open Education Server ist ein Angebot des Vereins CH-Open und steht kostenlos zur Verfügung.
Schulische Cloud-Lösungen haben in den vergangenen Monaten einen kräftigen Schub erfahren. Die Schule Saanen setzt seit Anfang Schuljahr auf den Open Education Server.
Wer vor einem Jahr behauptete, das virtuelle Konferenzen, Dateiablagen auf Servern und Chatdienste ein Rückgrat des Schulalltags bilden, hätte wohl einige fragende Blicke und ein müdes Lächeln geerntet. Mit dem Lockdown kam es anders. Viele Schulen mussten innert kurzer Zeit digitale Kanäle aufbauen und betreiben. Doch je mehr digitale Daten im Schulumfeld anfallen, desto wichtiger wird der Umgang damit: Was geschieht mit den Inhalten, die meine Klasse produziert? Wo werden diese gespeichert?
Marcus Scherer beschäftigt sich als Lehrer und ICT-Verantwortlicher an der Schule Saanen seit mehreren Jahren mit dieser Frage. «Aus meiner Sicht tragen wir bei Cloud-Lösungen eine besondere Verantwortung. Mit den Programmen und Systemen, die wir einsetzen, konditionieren und eichen wir unsere Schülerinnen und Schüler.» Anbieter wie Google und Microsoft präsentieren mit ihren Office 365 und G-Suite for Education Gesamtpakete, um Daten zu bearbeiten, auszutauschen und zu speichern. Marcus Scherer beobachtet das mit Skepsis. «Der Lehrplan 21 fordert von Kindern und Jugendlichen einen kompetenten Umgang mit Informationstechnologien. Das bedeutet auch, dass wir unsere Daten bewusst handhaben und die digitalen Umgebungen kennen sollten. Mir liegt die Datenhoheit der Schule am Herzen.» Die Oberstufe der Schule Saanen arbeitete in der Vergangenhgeit mit Googles G-Suite, der Funktionsumfang liess nichts zu wünschen übrig. Als es im Sommer 2020 darum ging, auch die Primarschule digital zu vernetzen, setzte sich Scherer dafür ein, dass eine Open-Source-Lösung diskutiert wurde, die man als Schule eigenständig betreiben kann. Er stiess auf den Open Education Server, ein Angebot des Vereins CH Open. Da man in der Oberstufe gute Erfahrungen mit den Open-Source-Programmen von Libre Office gemacht hatte, gelang es, die Verantwortlichen zu überzeugen. Seit diesem Schuljahr arbeiten 350 Schülerinnen und Schüler und rund 100 Lehrpersonen mit dem Open Education Server. "Hauptnutzung ist klar der Austausch von Dateien, aber auch Videokonferenzen oder der Kalender kommen zum Einsatz. Wir decken damit die pädagogische Arbeit der Schule ab, für die Schulverwaltung und die Notenerfassung nutzen wir andere Systeme."
Integriert im Open Education Server ist Libre Office Online, damit können Schülerinnen und Schüler im Browser gemeinsam Dokumente erstellen. Eine Arbeitsweise, die Scherer gerne zur Ideensammlung einsetzt. "Bislang läuft der Einsatz reibungslos, wir sind mit dem Umstieg zufrieden", bilanziert Marcus Scherer nach dem ersten Semester. Als Wunsch für die Weiterentwicklung nennt er eine umfassende Benutzerverwaltung, die auch das Anlegen von E-Mail-Adressen ermöglicht.
Bedürfnisanalyse und Weiterentwicklung geplant
Die Funktionen des Open Education Servers sind kostenlos, 1 GB Speicherplatz pro User inklusive. Doch was im digitalen Kontext nichts kostet, bezahlt man in aller Regel mit den Daten. Ist das auch das Konzept hinter dem Open Education Server? "Nein, sicher nicht", sagt Matthias Stürmer, Vizepräsident des Vereins CH Open. "Als wir das Angebot im Herbst 2019 lancierten, wollten wir eine Open-Source-Alternative zu Office 365, Dropbox oder G-Suite präsentieren. Mit dem in der Schweiz gebotenen Datenschutz." Anfänglich habe man viele Anfragen und Logins verzeichnet, das Interesse sei spürbar gewesen. Doch als gesamte Schule hat sich bislang erst Saanen für den Open Education Server entschieden. Der Verein sieht Potenzial und will das Angebot besser auf schulische Bedürfnisse ausrichten. "Man muss wissen, dass wir keine Werbung betrieben, keinen einzigen Flyer gedruckt haben. Insofern erstaunt es nicht, dass der Zugriff nicht rasant angestiegen ist." Der Entscheid für eine Open-Source-Lösung und gegen gewohnte Produkte sei für Schulgemeinden kein einfacher und müsse gut durchdacht sein, erklärt Stürmer.
Zur Weiterentwicklung plant CH Open im Frühling eine Bedürfnisanalyse bei Schulen und Lehrpersonen. Details dazu finden sich ab April auf der Website. "Wir wollen auf Basis dieser Anforderungen ein Geschäftsmodell ausarbeiten, mit dem Ziel, dass in zwei bis drei Jahren 10'000 bis 20'000 Schülerinnen und Schüler den Open Education Server nutzen." Ein solches Geschäftsmodell bedeute auch, dass sich Schulen mit einem kleinen Betrag beteiligen müssten. "Wir haben positive Signale von einer Stiftung, uns bei diesen Abklärungen im Frühling zu unterstützen."
Dass CH Open mit Open-Source-Lösungen punkten kann, hat der Verein zuletzt mit "Big Blue Button" bewiesen. Diese browserbasierte und kostenlose Videokonferenz-Software wird auf einem eigenständigen Server in der Schweiz gehostet und bietet umfassenden Datenschutz. "Seit Mai 2020 wurden damit über 14'000 virtuelle Meetings durchgeführt", so Matthias Stürmer, "das zeigt, dass die Nachfrage besteht."