Packungsbeilage inbegriffen?

1. Oktober 2013

Von Lehrpersonen - für Lehrpersonen: sesamath.ch bietet digitale Übungsmaterialien für den Westschweizer Plan d'études an.

Die Meinungen zu digitalen Lehrmitteln gehen auseinander: Sprechen ICT-Experten von  fundamentaler Innovation, sehen Pädagogen darin einen blossen Hype. Die SFIB-Fachtagung zeigte, wie die Digitalisierung das Lehrmittel von morgen verändert.

Mit Twitter lesen und schreiben lernen? Twitter, dieses vor allem unter Journalisten beliebte Netzwerk für 140-Zeichen-Nachrichten? Die Westschweizer Lehrerin Claire Bertolini beantwortet diese Fragen klar mit Ja. Sie liest und schreibt mit ihren Erstklässlern Tweets und kombiniert den Schriftspracherwerb mit Aspekten der Medienkompetenz.  “Für die Kinder ist der Austausch über das Netz sehr motivierend”, sagt Claire Bertolini. Via Twitter steht ihre erste Klasse aus Bex mit Kindern aus Afrika oder Belgien in Kontakt. Innerhalb eines Schuljahres sind so 360 Tweets entstanden, die Kinder haben gar Bilder, Zeichnungen oder Videos “getwittert”.

Auch wenn Twitter keinesfalls als Lehrmittel angelegt ist und nicht über eine pädagogisch-didaktische Ausrichtung verfügt, zeigt dieses Beispiel auf, welche Chancen und Stolpersteine digitale Angebote für den Unterricht mit sich bringen. An der Tagung der Schweizerischen Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen (SFIB), die am 23. August in Bern stattfand, diskutierten über 150 Experten über digitale Lehrmittel. Unter dem Tagungstitel “eContent – Lesen Sie die Packungsbeilage…” bot sich in rund 30 Workshops (Claire Bertolinis Input zu Twitter war einer davon) Gelegenheit, aktuelle Trends zu digitalen Unterrichtsmaterialien aufzuspüren. Die Präsentationen zu den Workshops sind auf sfib.educa.ch/de/programm2013 abgelegt.

Stark betroffen von dieser Entwicklung sind die Lehrmittelverlage. Elektronische Lesegeräte sind daran, dem Papier den Rang abzulaufen. Für Peter Egger, Verlagsleiter des HEP-Verlags, ist klar: “Auch wenn die Digitalisierung und das Internet die Konkurrenz verschärfen, für Lernprozesse ist das Potenzial offensichtlich.” Seit der Gründung im Jahr 2000 setzt der HEP-Verlag auf digitale Produkte und Blended-Learning-Konzepte. Vor allem auf die Sekundarstufe II ausgerichtet, bietet HEP heute Apps, eBooks und eLehrmittel an. Und dies mit Erfolg: Sowohl die App für Volkswirtschaftlehre wie auch das eLehrmittel für den allgemeinbildenden Unterricht erhielten 2012 einen Worlddidac-Award.

Kennt die Deutschschweiz eine dichte Lehrmittelverlagslandschaft, so ist die Situation in der Romandie eine andere. Ein eigentlicher Lehrmittelverlag existiert nicht, die Lehrmittel werden aus anderen frankophonen Ländern angekauft. Mit der Einführung des sprachregionalen Lehrplans “Plan d’études” (PER) 2011 ist es aber kaum mehr möglich, passende Lehrmittel zu finden, da der PER das Konzept des kompetenzorientierten Unterrichts verfolgt. Um den Lehrpersonen passende Inhalte anzubieten, lässt die Westschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (CIIP) von Pädagogischen Hochschulen digitale Lernressourcen entwickeln. Im Bereich Mathematik haben zudem Lehrpersonen das Heft in die Hand genommen und die Plattform sesamath.ch ins Leben gerufen. Das Vorbild dieser Plattform stammt aus Frankreich. Auf sesamath.ch findet man frei verfügbare, lehrplankompatible Lernressourcen, die Lehrpersonen kollaborativ entwicklen. Mitbegründer Jean-Marie Delley stellte an der SFIB-Tagung einige Beispiele vor, diese reichen von Online-Übungen bis hin zu ganzen Unterrichtsheften. Der Grossteil der Ressourcen richtet sich an die Sekundarstufe II, Inhalte für die Sekundarstufe I sind in Planung.

 


 

educa.ch und Microsoft: Für Primarschulen steigen die Preise

Seit Anfang September vor liegen die Verhandlungresultate zwischen educa.ch und Microsoft vor. Gegenstand der Verhandlungen waren die Kauf- und Mietlizenzen von Microsoft-Produkten. Die an Schulen häufig verwendeten Mietlizenzen können neu gemäss drei verschiedenen Vertriebsmodellen gebucht werden, zu den Kauflizenzen existiert ein Beitrittsvertag. Auswirkungen haben die neuen Verträge insbesondere für Primarschulen, da die bis anhin verfügbare Partners-in-Learning-Vereinbarung (PiL) entfällt. Kostete ein Microsoft-Software-Paket im Rahmen von PiL rund 25 Franken im Jahr, so rechnet educa.ch neu mit 60 bis 70 Franken für ein vergleichbares Angebot. Betroffen davon sind 500 Schulen mit rund 23’000 Lizenzen. Microsoft zeigt sich bereit, für Härtefälle die Kosten abzufedern.

Sämtliche Miet- und Kauflizenzen unterliegen dem Schweizer Recht, ausgeschlossen davon sind die Online-Dienste Office365, Exchange und Sharepoint. Das hat beispielsweise den Kanton Luzern dazu bewogen, Ende August ein Pilotprojekt mit Office 365 an einem Luzerner Gymnasium aus Datenschutzgründen zu stoppen.

Der Vertrieb der Microsoft-Produkte erfolgt über lokale Handelspartner, die von Microsoft entweder als “Large Account Reseller” (LAR) oder als Wiederverkäufer (Authorized Education Reseller, AER) akkreditiert sein müssen. Diese Wiederverkäufer legen die exakten Preise für die Lizenzen fest.

Ähnliche Themen

  • Dicke Luft statt „School Agreement“
    1. Mai 2010

    Microsoft Schweiz und educa.SFIB sind sich uneins, was Softwarelizenzen in Schulen anbelangt. Ob und wie die weitere Zusammenarbeit funktioniert, ist ungewiss.

  • educanet² macht mobil
    1. März 2013

    Die grösste Schweizer Lernplattform kommt an jeder zweiten Schule zum Einsatz. Aktuelle Entwicklungen drehen sich darum, educanet² auf Tablets salonfähig zu machen.

  • Das Ringen um die Vormachtstellung
    1. Mai 2019

    Mit dem offiziellen Ende von educanet2 ist die Frage nach Arbeits- und Kommunikationsplattformen für den Unterricht neu lanciert. Viele Kantone setzen künftig auf Office365. Doch es gibt Alternativen.

  • „Konzepte besser verankern“
    1. Oktober 2012

    Welche Konzepte der ICT- und Medienbildung überdauern die schnelllebigen Trends und Hypes der digitalen Welt? Ideen dazu liegen vor, finden in der Schule aber noch nicht den gewünschten Platz, zeigte sich an der SFIB-Fachtagung in Bern.

  • "Unsere Vision heisst myEduca"
    1. Februar 2011

    Ein neuer Auftritt von educa.ch – ein runder Geburtstag von zebis.ch: Die beiden bekanntesten Bildungsserver der Schweiz blicken auf einen speziellen Jahresanfang zurück. Doch wo setzen educa.ch und zebis.ch ihre künftigen Schwerpunkte?