Keine offenen Türen für Open Source

1. April 2017

Das Mal- und Zeichenprogramm “Krita” ist eine Open-Source-Alternative für Illustrationen, Texturen und visuelle Effekte.

Deutschschweizer Schulen, die auf Open Source setzen, kann man an einer Hand abzählen. Der Verein CH Open will dies ändern und mit dem “Open Education Day” die Vorteile von freier Software betonen.

“Ohne Open-Source-Software zu unterrichten, kann ich mir ehrlich gesagt nicht mehr vorstellen”, sagt Stefan Meier. Der in Dübendorf-Schwerzenbach tätige Sekundarlehrer ist froh um digitale Tools und Anwendungen, die ihm den Alltag erleichtern und das Lernen nachhaltiger gestalten. Seit einigen Jahren nutzt er mit seinen Klassen die Portfolio-Software “Mahara”, die man auf einem eigenen Webserver installieren kann. Mit Hilfe von Mahara lassen sich persönliche Lernportfolios betreiben. Jeder Schülerin, jedem Schüler steht damit eine Lernumgebung zur Verfügung, die in erster Linie zur Reflexion über den eigenen Lernprozess dient. “Zu Beginn setzte ich Mahara im Projektunterricht ein. Die Schüler dokumentieren den Verlauf ihrer Projektarbeiten, ich kontrollierte ihre Texte und Einträge. Mittlerweile nutzen alle Klassen unserer Oberstufe Mahara, es lässt sich gut als Lerntagebuch oder zur Präsentation eigener Lernprojekte heranziehen und motiviert die Jugendlichen.” Stefan Meier ist ein Verfechter von Open-Source-Software und er sieht die Schule in der Pflicht, das Potenzial dieser Instrumente aktiv aufzuzeigen. “Die Kinder und Jugendlichen kennen bereits viele grosse Markenanbieter aus ihrem privaten Umfeld, sei es durch das iPhone oder den Windows-PC. Dass daneben ein Spektrum an frei verfügbaren Systemen und Programmen existiert, wissen sie grossmehrheitlich nicht.” Gerade deshalb dürfe die Schule nicht einfach Produkt- oder Systemschulung mit bekannten Anbietern vermitteln und solle Textverarbeitung beispielsweise auch mit LibreOffice veranschaulichen.

Wie Stefan Meier Mahara in seinem Unterricht genau verwendet, zeigt er im Rahmen eines Workshops an der Tagung “Open Education Day 2017” am 29. April in Windisch (www.open-education-day.ch). Organisiert wird diese Tagung vom Verein CH Open, der sich die Förderung offener und freier IT-Systeme auf die Fahnen schreibt. Der Open Education Day richtet sich an Lehrpersonen und Verantwortliche für Schulinformatik. Auf dem Programm stehen Inputs zu digitalen Lernumgebungen und Hilfsmitteln für die Schule, darunter der vielseitige Lernstick der PH FHNW.

Die Tagung ist kostenlos, die Platzzahl beschränkt, eine frühe Anmeldung lohnt sich.

“Kantone machen nichts”
Matthias Stürmer, Vorstandsmitglied von CH Open und Leiter der Forschungsstelle für Digitale Nachhaltigkeit an der Universität Bern, wünscht sich mehr Lehrpersonen wie Stefan Meier. Denn: “Die Verbreitung von Open-Source-Software ist an Schweizer Schulen sehr niedrig. Wir sind gar nicht zufrieden mit diesem Stand, auch deshalb organisieren wir jährlich eine Tagung.” Der Austausch unter Lehrpersonen stelle ein wirksames Mittel dar, um Know-how über frei verfügbare Software aufzubauen. Matthias Stürmer bemängelt vor allem die Haltung der Kantone. “Die Kantone machen praktisch nichts, um freie Software in Schulen zu fördern. Einzige Ausnahme ist der Kanton Genf, der seine Schulen auf Ubuntu und LibreOffice wechseln lässt.”

CH Open unterstützt Anbieter von Open Source, wenn sie bei der Vergabe von IT-Dienstleistungen der öffentlichen Hand benachteiligt werden. Aktuell ist beispielsweise beim Regierungsstatthalteramt Thun eine solche Beschwerde hängig. Darin wirft die Firma Adfinis Sygroup AG der Einwohnergemeinde Thierachern vor, eine Ausschreibung für neue Computer und neue Netzwerkinfrastruktur in der Primar- und Oberstufe nicht produktneutral formuliert zu haben und damit Open-Source-Software auszuschliessen.

Open Source als Alternative
Für Schulen ist es ein grosser Schritt, sich von proprietären Systemen zu lösen und auf Open Source umzusatteln. Eine 2015 veröffentlichte Studie zu Open Source in der Schweiz macht aber deutlich, dass Behörden und Unternehmen immer mehr in diese Richtung tendieren. Die 200 befragten Unternehmen gaben an, in den Bereichen Cloud Computing, Sicherheits-Technologien oder Serverlösungen bis zu einem Drittel mehr Open-Source-Lösungen einzusetzen als im Jahr 2012 (ossdirectory.ch). Als aktuelles Beispiel aus der Volksschule hat die Stadt Basel entschieden, für 20’000 Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler die Open-Source-Lösung UCSatSchool einzusetzen. Diese deckt Funktionen wie E-Mail, Kalender und schulspezifische Anwendungen wie Hausaufgabenverteilung und Raumplanung ab.

Für den Gebrauch im Unterricht oder im privaten Rahmen existieren etliche Programme, die als freie Software für die Betriebssysteme Windows, Linux und Mac OS X oder als App für mobile Geräte verfügbar sind. Eine gute Zusammenstellung mit schulbezogenen Anwendungen listet medien-in-die-schule.de auf (www.goo.gl/oGGzyo). Hier finden sich frei zugängliche Software für Präsentation und Textverarbeitung, Bildbearbeitung und Grafik sowie Audio und Video.

1704.pdf (154.74 KB)

Ähnliche Themen

  • Der USB-Stick als Alleskönner
    1. Mai 2011

    Mit dem Lernstick hat die PH FHNW eine personalisierte und mobile Lernumgebung entwickelt. Was leistet dieser „Hosensack-Computer“ im Alltag?

  • „Der Lehrer wird zum Co-Produzenten“
    1. Dezember 2009

    Wie sollen sich Lehrmittelverlage und Didaktische Zentren in Zeiten von frei verfügbaren Lernressourcen im Internet ausrichten? Diese Frage diskutierten Experten am dritten Swiss Forum for Educational Media.

  • Mit offenen Daten eigenen Fragen nachgehen
    1. Juni 2019

    Mit Schülerinnen und Schülern Daten recherchieren, analysieren und visualisieren: Am Open Education Day zeigte sich, wie man im Unterricht auf diesen Prozess eingehen kann.

  • "Halfday" macht virtuelle Tagung möglich
    1. Juni 2020

    Offene Software im Unterricht: Diesem Thema widmete sich der Open Education Day Ende April. Erfahrung mit Open Source sammeln auch die Schulen der Stadt Bern. Wie ist die Einführung von "base4kids 2" angelaufen?