Generation Second Screen

15. November 2012

Bei Kindern und Jugendlichen beliebt: Mobile Geräte wie Tablets oder Smartphones. Fast 80% aller 12- bis 19-Jährigen in der Schweiz besitzen mittlerweile ein internetfähiges Mobilgerät.

Aktuelle Studien über das Medienverhalten Jugendlicher lassen keinen Zweifel: Das mobile Internet ist aus dem Alltag der nächsten Generation nicht mehr wegzudenken. Und fernsehen um des Fernsehens willen ist passé.

Die Vorabmeldungen trafen beinahe zeitgleich ein: Die deutsche JIM-Studie und das Schweizer Pendant JAMES veröffentlichten Ende Oktober erste Befunde zum aktuellen Medienverhalten der 12- bis 19-Jährigen. JAMES (Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz) befragt im Zweijahresrhythmus 1000 Jugendliche über ihre Freizeit, sowie das Medien- und Kommunikationsverhalten. Die JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) fühlt in Deutschland rund 1200 Jugendlichen auf den Puls, auch hier mit Fokus auf die Mediennutzung (www.mpfs.de). Die Erstauswertungen der beiden aktuellen Erhebungen weisen grosse Parallelen auf: So gehören Smartphones 2012 faktisch zum Alltag der Jugendlichen, mobiles Surfen nimmt stark zu. 95% aller Schweizer Jugendlichen, die befragt wurden, verfügen über ein eigenes Handy, in Deutschland sind es 96%. Frappant: Der Anteil an Smartphones hat sich in der Schweiz innert zwei Jahren mit 80 Prozent fast verdoppelt. Und waren es bei der ersten JAMES-Studie 2010 noch 16%, die regelmässig mit dem Smartphone im Internet surften, so sind es 2012 schon beinahe 70%. Diese Zahl widerspiegelt die Wahrnehmung des öffentlichen Raums: Der Jugendliche, der fünf Minuten auf den Bus oder den Zug warten muss und nicht das Smartphone zückt, ist 2012 zu einer raren Spezies geworden.

Games, Musik, Videos

Neben ihren kommunikativen Funktionen haben sich Smartphones zu medialen Alleskönnern entwickelt. Die Jugendlichen nutzen die Bandbreite dieses vielseitigen „Unterhaltungsgeräts“, konsumierend wie auch produzierend. Die meistverwendeten Apps siedeln sich denn auch entlang dieser Tätigkeiten an. Textnachrichten, soziale Netzwerke, Musik- und Videoplattformen sowie Spiele stehen hoch im Kurs. Im Umgang mit sozialen Netzwerken scheint die Sensibilisierung erste Früchte zu tragen. So ist das Bewusstsein zum Schutz der eigenen Daten gewachsen, 84 Prozent der Nutzer von sozialen Netzwerken gaben an, ihr Profil aktiv zu schützen und den Zugriff einzuschränken.

Als deutlicher Unterschied zur Befragung 2010 legt die aktuelle JAMES-Studie offen, dass die einzelnen Medienkanäle zunehmend zeitgleich genutzt werden – das klassische Beispiel ist eine ergänzende Beschäftigung während des Fernsehens: surfen, telefonieren, SMS schreiben, chatten. In der Medienbranche hat sich hierfür Begriff des „Second Screen“, mit einem Tablet oder Smartphone vor dem Fernseher sitzen, eingebürgert. Kein Wunder setzen neue TV-Formate stark auf den Einbezug weiterer Medien und animieren Jugendliche zum Mitmachen mittels Textnachrichten oder sozialer Netzwerke.

Freunde, Sport, Familie

Bei aller Zunahme am medialen Angebot vermögen die Zahlen von JAMES auch einem allfälligen Alarmismus entgegenzuwirken: Es ist keine „Bildschirm-Jugend“ ohne soziale Kontakte oder „richtige“ Freizeitbeschäftigungen, die da heranwächst. Der Effekt der digitalen Medien auf die Freizeitgestaltung hält sich im Rahmen und hat sich in den vergangenen zwei Jahren kaum verändert. Nach wie vor zählen Jugendliche regelmässigen Kontakt mit Freunden, Sport treiben, Musik machen oder mit der Familie etwas unternehmen zu den festen Bestandteilen ihres Alltags.

Durchgeführt wird die JAMES-Studie vom Departement für Angewandte Psychologie der ZHAW, beteiligt an der Studie ist auch die Swisscom. Die vollständigen Resultate erscheinen Anfang 2013 (www.psychologie.zhaw.ch/james).

Was kommt am Horizont?

Welchen Einfluss die Mediennutzung der Jugendlichen auf ihr Lernen hat, ist Gegenstand vieler wissenschaftlicher Untersuchungen und wird beizeiten kontrovers diskutiert. Während der Hirnforscher Manfred Spitzer sich vehement gegen ICT-Hilfsmittel in Schulen richtet und diesen keine lernfördernde Wirkung attestiert, arbeitet die Medienpädagogik an Projekten, die untersuchen, welches Umfeld und welche Konzepte ICT in der Schule zum Erfolg verhelfen. Eine Schwierigkeit ist dabei, den richtigen Trends zu folgen und sich nicht von Hypes beirren zu lassen. (Oder erinnert sich noch jemand an Second Life?)

Der Aufgabe, diese relevanten Trends für das Lernen mit neuen Technologien aufzuspüren, hat sich der jährlich erscheinende Horizon Report angenommen (www.mmkh.de). Ausgerichtet auf die Hochschullehre, greifen Experten aus über hundert Bildungseinrichtungen jedes Jahr die für sie wesentlichen Entwicklungen auf. In der im Januar veröffentlichten Ausgabe 2012 wurden mobilen Apps und Tablets der bevorstehende Durchbruch prophezeit. Eine Prognose, die sich bereits einige Monate später in statistischen Befragungen wie der JAMES- oder der JIM-Studie zu bestätigen scheint.

11a_12_james.pdf (71.31 KB)

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